An der venezolanischen Grenze sind gerade große Baumaßnahmen in Gange. Das Zollgebäude ist bereits fertig und bezogen. Doch bevor wir die Fahrzeugpapiere hier ausgestellt bekommen, müssen wir erst in das 15 Kilometer entfernte Sta. Elena fahren, denn die Immigration befindet sich vorerst noch in der Stadt. Dort bekommen wir völlig problemlos den Einreisestempel, fahren zurück zum Zoll und lassen uns die Fahrzeugpapiere ausstellen. Danach fahren wir zur Tankstelle. Sie ist wirklich nicht zu übersehen, denn über 100 Autos (danach haben zu zählen aufgehört) stehen in langen Schlangen an. Es sind hauptsächlich Brasilianer, die hierher zum Tanken fahren. Im Gegensatz zu Brasilien, wo wir am Schluss 2,– Bras.Reais (= ca. 65 Cent) pro Liter Diesel bezahlten, kostet hier der Liter Diesel 6 Cent!! Und das auch nur, weil wir Ausländer sind. Die Einheimischen bezahlen noch viel weniger hier, nämlich nur 2 Cent pro Liter. Diesen Preis bekommen wir landeinwärts auch. Nur hier in der Grenzregion gilt diese Regelung für Ausländer.
Da ist es verständlich, dass die Brasilianer über die Grenze fahren und lieber ein paar Stunden warten. Glücklicherweise ist das Tanken hier so geregelt, dass wir als Ausländer, die weiter ins Landesinnere von Venezuela fahren wollen, uns nicht in die lange Schlange einreihen müssen, sondern bevorzugt tanken dürfen. Dafür können wir aber nicht voll tanken, sondern bekommen nur 50 Liter. Das reicht uns aber, bis wir weiter nördlich wieder an eine Tankstelle kommen.
Mit der Weiterfahrt wollen wir uns aber noch etwas Zeit lassen. Denn Sta. Elena eignet sich gut für Tagesausflüge. Einen ruhigen und sicheren Stellplatz haben wir im Campamento Yakoo. Hier können wir den Unimog beruhigt stehen lassen und mit dem Motorrad in der Umgebung herumfahren.
Wir schauen uns die Quebrada de Jaspe an. Das ist ein Flussbett, das über mehrere Hundert Meter vollständig aus dem roten Halbedelstein Jaspis besteht. Der Untergrund des Flusses schimmert in den verschiedensten Rottönen, die völlig abstrakte Muster haben. Ein tolles Naturschauspiel.
Bei diesem Ausflug sehen wir auch schon mehr von der berühmten Gran Sabana mit ihrer unendlichen Weite und den typischen, einzeln stehenden Tafelbergen.
Eine der wenigen Pisten, die weiter in die Gran Sabana hineinführen, geht entlang der brasilianischen Grenze zu einem kleinen Dorf namens El Paují. Die 20 Kilometer Teerstraße bringen wir schnell hinter uns. Dann geht es weiter auf einer Piste, die stellenweise noch schlechter ist als die, die wir durch den Amazonas gefahren sind. Weil wir Gepäck zum Übernachten dabei haben und somit ziemlich schwer sind, ist es selbst mit dem Motorrad schwierig. Immer wieder tauchen wir in Schlaglöcher ein, holpern über Querrinnen. Schwierig wird es vor allem bei den Längsrillen, die sich verengen und verbreitern und aus denen Klaus oft nur mit Mühe wieder herauskommt.
Von der typischen Gran-Sabana-Landschaft sehen wir anfangs nichts, weil es nur durch Urwald geht. Erst wenige Kilometer vor El Paují haben wir dann bessere Ausblicke in die Umgebung. Das Dorf selbst wirkt fast völlig verlassen. Lediglich ein Restaurant hat geöffnet, in dem wir ein Mittagessen bekommen. Die restlichen Restaurants bzw. Unterkunftsmöglichkeiten sind alle geschlossen. Dabei hatten die Angaben im Reiseführer, die das Ganze als eine Art Hippie-Ort, ein Aussteigerdorf, beschreiben, in uns ganz andere Erwartungen geweckt.
Wir fahren zurück zu einem Restaurant, neben dem sich der Wasserfall “Salto Catedral” befindet. Hier gehen wir nachmittags baden. Es sieht aus, als ob das Wasser mitten aus der Felswand herausschießen würde. Darunter ist ein kleiner natürlicher Teich mit herrlich erfrischendem Wasser.
Als wir am nächsten Tag zurückfahren, kommen uns schon bald die ersten Radfahrer entgegen. Es ist das jährlich stattfindende Fahrradrennen von Sta. Elena nach El Paují. Die ersten Teilnehmer sind noch ganz schön flott und ehrgeizig unterwegs, während es gegen Ende des ca. 300 Teilnehmer umfassenden Feldes schon gemütlicher zugeht. Hier unterhalten sich die Fahrer/-innen miteinander und es geht mehr darum, die 72 Kilometer lange Strecke zu bewältigen, als irgendetwas zu gewinnen.
Die Rückfahrt ist auch nicht viel besser. Ganz im Gegenteil. Es hat zwischendurch geregnet, in den Pfützen steht das Wasser und die Piste ist schlammig. Wir sind froh, als wir wieder in Sta. Elena sind und es uns im Unimog gemütlich machen können.
Auf der Fahrt in Richtung Norden machen wir noch einen Zwischenstopp in dem Goldgräbernest El Dorado. Außerhalb des Ortes hat sich der Schweizer Bruno niedergelassen, der direkt am Fluss ein Restaurant mit Campingmöglichkeiten hat. Bruno ist eine stadtbekannte Persönlichkeit, schließlich war er jahrelang bei der venezolanischen Guardia Nacional und hatte dabei die Aufsicht über das Gefängnis von El Dorado.
Frühmorgens bläst er schon mal das Alphorn, dessen Klang laut auf dem Wasser widerhallt.
Mit ihm zusammen machen wir einen Bummel durch El Dorado und er erzählt uns einige Geschichten über das Gefängnis, das berühmt ist durch den französischen Schriftsteller Henri Charrière und seinen Roman “Papillon”.
Als nächstes wollen wir ein paar Tage in Ciudad Bolivar verbringen. Am Stadtrand gibt es die wirklich empfehlenswerte Posada “La Casita”, die der Deutsche Peter Rothfuss zusammen mit seiner Frau Maria betreibt. Über Gekkotours (direkt im Flugplatz von Ciudad Bolivar, www.gekkotours-venezuela.de) bietet er verschiedene Ausflüge an. Wir sind an einem Flug über die Tafelberge und den Salto Angel, den höchsten Wasserfall der Welt interessiert. Der Wasserfall befindet sich im Canaima-Nationalpark, der nur per Flieger erreicht werden kann. Wir wollen hier einige Filmaufnahmen machen und dazu muss natürlich das Wetter passen und das zeigt sich wieder mal ziemlich wechselhaft. Momentan ist hier gerade “Winter”, also die Regenzeit. Das bedeutet, dass es gelegentlich zu Schauern oder Wolkenbrüchen kommt. Eine verlässliche Wettervorhersage ist eigentlich kaum möglich. So vergehen immer mehr Tage, ohne dass wir zu dem ersehnten Flug kommen.
Zwischenzeitlich schauen wir uns mehrmals Ciudad Bolivar an, dessen Altstadt ganz nett ist mit seinen bunt bemalten Häusern.
Viel Zeit verbringen wir auch am Swimmingpool der Posada. Denn obwohl es hier jetzt Regenzeit ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es kalt ist. Ganz im Gegenteil. Das Thermometer klettert nachmittags im Schatten locker auf 38 – 40 Grad. Da kommt uns der Pool gerade recht. Und selbst wenn mal ein Regenschauer drüberzieht, kühlt es zwar ab, aber gerade mal auf 24 – 26 Grad. Selbst nachts sinkt die Temperatur nicht unter 23 Grad.
Die Wartezeit lässt sich in der Posada hervorragend überbrücken, denn “La Casita” bietet alle Annehmlichkeiten die man unterwegs ab und zu mal braucht (Pool, kühles Bier, gutes Essen, Internet und nette Gesellschaft…).
Nach fast 14 Tagen ist es dann endlich soweit, dass wir die Gelegenheit zum Flug bekommen. Es geht mit einer kleinen, sechssitzigen Maschine nach Canaima.
Dort machen wir nach dem Mittagessen einen Bootsausflug auf der Lagune, in die sich 4 Wasserfälle ergießen. Beim Rückflug am Nachmittag hat der Pilot dann grünes Licht für einen Flug zum Wasserfall. Die Wolken hängen zwar tief herunter, lassen aber den Rand der Tafelberge noch erkennen. Wir fliegen ziemlich dicht an den Felsen vorbei und sehen, wie zerklüftet alles ist.
Nach etwa 20 Minuten erreichen wir den Salto Angel, den höchsten Wasserfall der Welt. Seine genaue Höhe beträgt nach Angaben des venezolanischen Fremdenverkehrsamts 1000 m, sie kann aber auch nur 960 oder 980 m sein. So genau ist das nicht bekannt. Der Wasserfall ist nach dem Amerikaner Jimmy Angel benannt worden, der 1937 auf dem Bergrücken mit seiner einmotorigen Propellermaschine gelandet war.
Wir fliegen am Wasserfall vorbei, drehen eine Schleife, dann fliegt der Pilot noch einmal direkt darüber hinweg, bevor er sich durch die Schlucht hindurch auf den Rückweg nach Ciudad Bolivar macht. Die lange Wartezeit hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn der Flug war wirklich ein spektakuläres Ereignis. Dank Peters und Jochens Hilfe (beide von Gekko-Tours) gelang es uns diesen Flug zu arrangieren.
Dann wird es Zeit, dass wir weiter fahren, denn Anfang August geht es für uns mit einem Schiff von Kolumbien nach Mittelamerika. So fahren wir ziemlich zügig weiter nordwärts nach Maracaibo und überqueren dort die Grenze nach Kolumbien.