Ob’s am Sonntag liegt, dass die Abfertigung so schnell geht? Auf jeden Fall ist sie unkompliziert. Der Zollbeamte lässt uns die Autopapiere ausfüllen, kontrollieren will er nichts am Fahrzeug. Bei der Migracion erhalten wir nach 2 Minuten Warten die gestempelten Pässe zurück, der Beamtin von der SENASA unterschreiben wir eine Erklärung, dass wir weder Haustiere noch verbotenes Obst oder Gemüse mit uns führen. Nur der Polizist ist der Meinung, die Mühe, die er sich damit macht, unsere Daten in seinem großen Buch zu verewigen – einschließlich Angaben über Feuerlöscher und Erste-Hilfe-Kasten – müsste mit 10,– Soles (= 2,70 €) belohnt werden. Wir kontern mit der Frage nach der factura (= Rechnung) und sammeln schon mal unauffällig unsere Papiere ein. Die Antwort, das Buch selbst ist der Beleg für die Soles, beschließen wir nicht zu verstehen. Wir lächeln ihn freundlich an, fragen höflich listo? (= fertig), bedanken uns gleichzeitig und verabschieden uns. So wichtig können die Soles nicht gewesen sein, denn die Kette wird heruntergelassen und wir dürfen nach Peru einreisen.
Von Puno aus werden Bootsausflüge zu den “Schwimmenden Inseln der Uros” angeboten. Sie stellen eine der größten Attraktionen des Titicaca-Sees dar. Obwohl wir schon viel Negatives über deren Vermarktung und Kommerzialisierung gelesen haben, wollen wir trotzdem diese berühmten Inseln sehen. Am frühen Nachmittag stehen wir deshalb am Hafen und warten darauf, dass eines der so genannten Collectivos abfährt. Mit ihnen kann man eine kleine Rundtour zu ein paar Inseln machen, wenn man nicht an einer organisierten Tour teilnehmen will. Der Preis beträgt 10,– Soles pro Person und der Eintritt auf die Inseln nochmals 2,– Soles /p.P. Der Nachteil ist, dass man solange auf die Abfahrt des Schiffes warten muss, bis genügend Passagiere zusammen sind.
Nach einer halben Stunde haben sich außer uns noch drei peruanische Paare gemeldet und die insgesamt acht Leute genügen dann für den Ausflug. Die Fahrt zu dem Gebiet, in dem sich die Schwimmenden Inseln befinden, dauert eine halbe Stunde, dann betreten wir erwartungsvoll zum ersten Mal eine der Inseln. Sie werden komplett aus dem Schilf gefertigt, das im See wächst.
Wie erwartet, sitzen die Frauen bereits vor ihren Souvenirständen. Doch sind sie bei weitem nicht so aufdringlich, wie wir es erwartet haben. Vielleicht liegt es daran, dass wir zusammen mit mehreren Einheimischen kommen. Wir können uns in Ruhe umsehen, fotografieren, filmen und am Schluss nehmen wir dann doch eines der kleinen Binsenboote mit, das uns angeboten wird. Auf der zweiten Insel spricht uns ein Mann an und will wissen, woher wir kommen. Alemania sagt ihm was, schließlich kommen die Solarpaneele, die die Inseln mit Energie versorgen, ebenfalls aus Deutschland. Bei gutem Wetter würden sie genug Strom liefern, um mehrere Hütten mit Licht zu versorgen. Diese Form der Energie sei hier viel sicherer, meint er, denn für Kleinkinder und ältere Leute ist der Umgang mit Kerzen etwas gefährlich. Er zeigt Sonja, wo sich die Batterien dazu befinden, erklärt ihr, wie die Insel verankert ist und erzählt von den Menschen. Er selbst lebt seit seiner Geburt, seit 35 Jahren, auf der Insel, seine Eltern sogar bereits seit 55 Jahren.
Auf der dritten Insel schwankt der Boden etwas mehr als bei den ersten beiden. Verschiedene Stellen wurden gerade ausgebessert, doch an anderen versinken wir mehrmals in dem dicken Boden. Auch hier gibt es wieder ein kleines Museum, in dem ausgestopfte einheimische Vögel zu besichtigen sind. Außerdem hat die Insel eine kleine Kapelle. Auf der vierten Insel gibt es mittendrin eine kleine Lagune. Der schwankt der Boden schwankt auch hier und immer wieder sinken wir ein. An der Insel hängen noch vier Wellblechhütten auf Pontons. Es sind die Klassenzimmer der 40 Schüler, die hier unterrichtet werden.
Alles in allem sind wir am Ende der Tour angenehm überrascht. Die Menschen waren zugänglich, haben uns ihr Leben gezeigt und das Kaufen von ein paar Kleinigkeiten ist unserer Meinung nach eine angemessene Gegenleistung dafür, dass wir ihnen sozusagen ins Wohnzimmer schauen dürfen.
Nicht weit weg von Puno ist die kleine Ortschaft Sillustani. Sie ist bekannt für ihre Chullpas (= Grabtürme). Diese befinden sich auf einer Halbinsel im Umayo-See. Es gibt zwei Formen von Türmen. Die älteren und kleineren stammen von der Colla-Kultur, die großen von den Inkas. In den Türmen wurden die Toten eingemauert mitsamt Schätzen und Grabbeigaben sowie den manchmal noch lebenden Dienern.
Wieder zurück auf der Hauptstraße kommen wir nicht weit. Am Stadtrand von Juliaca gibt es eine Lkw-Blockade, es wird landesweit gegen die Benzinpreiserhöhung und eine Art Fahrzeugsteuer gestreikt. Nur über eine Umleitung am Stadtrand geht es weiter. In den folgenden kleineren Orten gibt es glücklicherweise zwar keine Sperren, aber dafür liegen dann Steine oder schlimmer Glasscherben auf der Straße. Am Nachmittag werden wir dann schon vor der nächsten Stadt von einem Polizisten darauf hingewiesen, dass wir umdrehen müssen. Wir fahren 26 Kilometer zurück und über eine Piste durch die Berge. Als wir dann am Stadtrand von Ayaviri ankommen, haben viele Geschäfte geschlossen, alles wirkt eigenartig ruhig, wie ausgestorben. Der Streik betrifft die Einheimischen mehr als uns. Sie kommen nicht weiter, weil keine Busse fahren. Wir dagegen haben die Straße für uns allein. Außer ein paar wenigen Minibussen, die zwischen den Orten pendeln, gibt es keinerlei Verkehr.
Wir erreichen eine Passhöhe von 4300 m, die die Grenze zwischen den beiden Departamentos Puno und Cusco bildet und das Ende des weitläufigen Altiplanos ist. Es geht merklich bergab, die Berge rücken näher, das Tal verengt sich immer mehr und der Fluss Rio Urubamba ermöglicht ausgedehnte Landwirtschaft.
So nannten die Inka ihre Stadt. Sie war sowohl politisches als auch religiöses Zentrum. Von der Plaza de Armas führten die vier Hauptstraßen in das “Reich der vier Regionen (bzw. Himmelsrichtungen). Auch heute ist die Plaza der Mittelpunkt der Stadt. Umgeben ist sie auf allen vier Seiten von Arkaden, in denen sich allerlei Geschäfte und Restaurants befinden. Besonders beliebt sind dabei diejenigen, bei denen man im ersten Stock auf dem Balkon sitzen und alles überblicken kann.
Cusco ist aufgrund seiner langen Geschichte voller Sehenswürdigkeiten, angefangen bei den Resten von Inka-Mauern bis zu den schönen Kolonialbauten und vor allem den reich geschmückten Kirchen der Spanier.
Als wir ankommen, ist gerade ein großes Fest im Gange, die Plaza gesperrt und jeden Polizisten, den wir nach der Richtung fragen, schickt uns mit dem Unimog woanders hin. Irgendwann geht nichts mehr, wir sind einfach zu groß für die schmalen Gassen. Ein sehr netter Polizist von der Touristen-Polizei hilft uns weiter, indem er sich mit zu uns ins Auto setzt, uns durch die Absperrungen bringt, entgegen der Einbahnstraße weiterlotst und uns bis zu unserem gewünschten Standplatz begleitet. Nachdem wir geparkt haben, schauen wir uns den Rest des Umzugs an, mit dem ein Jahrestag der Marktleute gefeiert wird.
Wir erleben Cusco während der Karwoche, die am Montag vor Ostern mit einem Umzug zu Ehren des “Señor de los Temblores” (= Herr der Erdbeben) beginnt. Mit dieser Prozession wird dem großen Erdbeben von 1650 gedacht, als etwa 80 Prozent der Kolonialbauten zerstört wurden. Am Ende der Prozession versammeln sich zehntausende von Menschen auf der Plaza de Armas, um den Segen des “Señors” zu empfangen. Eine solche Menschenmenge haben wir noch nie gesehen. Am Karfreitag erfolgt dann noch einmal eine Prozession, bei der eine Christusfigur im Glassarg und die “Virgen Dolorosa” (Jungfrau der Schmerzen) herumgetragen werden. Die Jungfrau ist eine lebensgroße Statue, an der 34 Männer schleppen.
Dazwischen verbringen wir unsere Tage in Museen und Kirchen sowie mit Spaziergängen in der Stadt. Die alten Kolonialhäuser sind wirklich sehenswert, besonders gut gefallen uns die aufwändig geschnitzten Holzbalkone. Und natürlich die 500 Jahre alten Inka-Mauern, die schon einige der Erdbeben überlebt haben, von denen die Stadt immer wieder erschüttert wird. Berühmt ist dabei der zwölfeckige Stein, ein mehrere Tonnen schwerer Felsen, der als Paradebeispiel für die Baukunst der Inkas gilt.
Ca. 200 m oberhalb der Stadt liegt Sacsaywaman, ein Ruinenkomplex, bei dem wir wieder die Baukunst der Inkas bewundern können. Riesige Steine wurden millimetergenau eingepasst und ohne Mörtel aufeinander geschichtet. So entstanden drei übereinander liegende Zick-Zack-Mauern, die 600 m lang sind. Sie sind noch sehr gut erhalten, während von dem Rest kaum etwas übrig ist. Zur Zerstörung haben auch die Spanier mit beigetragen, als sie zum Beispiel für den Wiederaufbau Cuscos Steine aus den Wänden herausbrechen ließen. Über die Bedeutung Sacsaywamans ist man sich nicht ganz im klaren. Wahrscheinlich war es eine religiöse Kultstätte, doch weil viel zerstört worden ist, kann man sich nicht genau festlegen.
Ein Sonntagsausflug führt uns nach Pisac. Mit dem einheimischen Bus kostet die Fahrt 2,– Soles pro Person (= ca. 0,52 €). Bei der Abfahrt in Cusco geht es absolut geordnet zu. Jeder bekommt ein Ticket, sogar der Sitzplatz wird per Nummer zugewiesen und die Abfahrt selbst ist fast auf die Minute pünktlich. Wer jedoch erwartet, dass es bis Pisac so weitergeht, wird bald eines Besseren belehrt. Der Busfahrer kann den winkenden Menschen am Straßenrand nicht widerstehen und hält bei allen an. Jetzt gibt es keine Tickets mehr, die Sitzplätze sind ja schon vergeben und bald werden auch die Stehplätze rar. Doch der Busfahrer ruft den Leuten nur zu „nach hinten gehen“, wenn er wieder eine Großfamilie oder Marktfrauen mit ihren großen Tragetüchern einsteigen lässt. Wohin die Leute gehen sollen, ist uns ein Rätsel.
Sie stehen dicht gedrängt wie die Sardinen. Das hat immerhin den Vorteil, dass sie in den Kurven, die schwungvoll genommen werden, nicht umfallen können. Wir sind froh, dass wir auf der Hinterbank sitzen, wo sich niemand davor hinstellen kann. Das Fenster lässt sich sogar öffnen und bei jedem Stopp machen wir davon reichlich Gebrauch. Die Luft ist zum Schneiden dick und die Ausdünstungen der Passagiere sind nicht gerade vom Feinsten.
Die 30 km-lange Fahrt dauert eine Stunde, dann ist es geschafft. Wir können uns endlich vom überfüllten Bus in das nur wenig dichtere Gedränge des berühmten Sonntagsmarktes stürzen. Gleich am Anfang gibt es Obst, Gemüse, Lebensmittel, Schuhe aus alten Reifen und sonstigen Haushaltsbedarf. Den weitaus größten Teil beherrschen jedoch die Souvenirstände und wir sehen die gleichen Sachen, wie sie zu Hunderten in Cusco ebenfalls verkauft werden. Das allein würde einen Marktbesuch nicht lohnen. Interessanter sind andere Sachen, zum Beispiel die Bäckereien, die in riesigen, alten Lehmöfen frisches Brot und mit Gemüse gefüllte Teigtaschen backen.
In den Öfen werden aber auch Meerschweinchen gebraten. Sie gelten als besondere Delikatesse. In einer der Bäckereien haben die Tiere ihren Bau gleich in der Nähe des großen Ofens.
Eine weitere Sehenswürdigkeit in Pisac ist der sonntägliche
Kirchenbesuch der Bürgermeister der umliegenden Dörfer. Sie kommen in traditioneller
Kleidung und nach der Messe gehen sie mit dem Pfarrer zum gemeinsamen
Mittagessen.
Und dann gibt es noch rund 600 m über dem Dorf Inka-Ruinen. Wir lassen uns von
einem Taxi hinauffahren und besichtigen die Reste, die zu einem zeremoniellen
Zentrum gehört haben. Die Berghänge hinunter ziehen sich unzählige
Terrassenfelder. Ein steiler Fußweg führt durch sie hindurch und nach einer
halben Stunde sind wir wieder in Pisac.
Für die Rückfahrt nach Cusco teilen wir uns mit zwei Engländern ein Taxi. Das kostet uns pro Person 5,– Soles (= 1,30 €), dauert nur eine halbe Stunde und wir werden mitten auf der Plaza de Armas abgesetzt.
Nachdem wir schon einige Inka-Bauten und –mauern gesehen haben, sind wir natürlich schon sehr gespannt die größte Sehenswürdigkeit Perus, auf Machu Picchu.
Um nach Machu Picchu zu kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Nur eine ist nicht möglich, die Anreise mit dem eigenen Fahrzeug. Es gibt nämlich keine Straße nach Aguas Calientes, dem Dorf unterhalb der Ruinen.
Die längste und teuerste Variante ist das Wandern auf dem Inka-Trail. Die neueste Regulierung besagt, dass nur mehr 500 Touristen pro Tag zugelassen werden und dass man nicht mehr alleine wandern darf, sondern sich einer organisierten Tour anschließen muss. Das Ganze dauert 4 Tage und 3 Nächte, kostet pro Person zwischen 130,– US$ und 250,– US$ (je nach Veranstalter und den gebotenen Leistungen). Dafür bekommt man dann während der Wanderung Frühstück, Mittagessen und Abendessen gekocht, das Zelt und die Verpflegung werden getragen, man braucht nur mehr Schlafsack, Iso-Matte und seine persönlichen Sachen zu nehmen. Ein Führer mit Assistent betreut die Truppe und erläutert die Ruinen, die man unterwegs passiert. Die Größe einer Gruppe variiert von 6 – 10 Touristen plus noch mal so viel Trägern plus Koch sowie Führer und Assistent.
Die billigste Variante ist eine Fahrt nach Ollantaytambo, mit dem Bus oder eigenen Fahrzeug, dann mit dem Abendzug nach Aguas Calientes (23,– US$ hin und zurück), wo man sich für die Nacht ein Hotelzimmer nimmt. Am nächsten Tag besichtigt man Machu Picchu und fährt dann mit dem Nachmittagszug zurück.
Die schnellste Variante ist ein Tagesausflug mit dem Zug (88,50 US$ oder 53,– US$ hin und zurück).Er beginnt frühmorgens in Cusco, von wo aus es mit dem Zug innerhalb von 4 Stunden nach Aguas Calientes geht. Dann hat man etwa 3 Stunden Zeit für die Besichtigung und fährt am Nachmittag wieder nach Cusco zurück.
Dass man nicht mehr mit dem Zug für die Einheimischen fahren darf, bedauern wir nur insofern, als es um den Preis geht. Er beträgt 30,– Soles für Cusco – Aguas – Calientes – Cusco, das sind etwa 9,– US$. Ansonsten haben uns die Busfahrten davon überzeugt, dass wir einer vierstündigen Zugfahrt mit peruanischen Lebensgewohnheiten (und Gerüchen) wahrscheinlich nicht gewachsen sind.
Eigentlich hatten wir vorgehabt, den Inka-Trail zu gehen. Doch in derart großen Gruppen unterwegs zu sein, ist nicht unser Fall. Wir beratschlagen deshalb lange die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten, weil uns keine so recht zusagt. Dann entscheiden wir uns für folgende Kombination: Wir fahren mit dem Zug von Cusco nach Aguas Calientes, bleiben zwei Nächte und fahren dann wieder zurück. In Cusco haben wir bereits einen sicheren Stellplatz, so dass wir in Ollantaytambo nicht wieder einen suchen müssen. Außerdem haben wir so einen Reservetag, für den Fall, dass es schlechtes Wetter gibt.
Am Mittwochmorgen sind wir um kurz vor sechs Uhr am Bahnhof San Pedro und besteigen den Backpackerzug. Am Nebengleis steigen die letzten Passagiere in den so genannten Vistadome-Zug (er kostet 88,– US$), der kurz darauf abfährt. Klaus will noch was filmen und fragt einen Bahn-Angestellten, der neben dem Zug steht, wann wir abfahren. „6.35 Uhr ist die Antwort.“ Als er gerade am letzten Waggon ist, wird die Glocke geläutet und der Zug setzt sich in Bewegung, es ist 6.15 Uhr. Ein Schaffner bedeutet ihm, rasch aufzuspringen und er schafft es auf das hintere Trittbrett. Während der Fahrt darf er jedoch nicht von einem Waggon in den anderen weiter gehen, sondern muss warten, bis der Zug im nächsten Bahnhof anhält. Das ist eine Stunde später.
Sonja sitzt währenddessen auf ihrem Platz und als Klaus kurz nach der Abfahrt immer noch nicht da ist, wird sie unruhig. Nach über einer halben Stunde kommt endlich ein Bahn-Angestellter durch, den sie aufhält und nach Klaus fragen kann. Er weiß sofort Bescheid, dass dieser im hinteren Waggon fährt und erklärt, dass er später kommt. Was er nicht sagt ist, dass Klaus ihn beauftragt hat, ihr das auszurichten. Wenn sie ihn nicht angesprochen hätte, von sich aus hätte er nichts gesagt.
Der Zug kann Cusco nicht einfach auf kürzestem Weg verlassen, sondern er muss auf eine Anhöhe. Dazu fährt er einige Kilometer vorwärts den Berg hinauf, dann wird eine Weiche gestellt und er fährt rückwärts ein paar Kilometer hinauf, dann wird wieder eine Weiche gestellt und es geht wieder ein Stück vorwärts, dann wieder rückwärts usw.
Mit diesem Zick-Zack-Kurs überwindet er langsam die Höhenmeter, bis er oberhalb von Cusco ist. Kurz darauf ist der erste Halt in Poroy erreicht und Klaus darf auf seinen Platz.
Hier steigen auch unsere gegenübersitzenden Nachbarinnen zu. Sie haben den Zug in Cusco verpasst, weil ihnen eine andere Abfahrtszeit gesagt worden ist und mussten mit dem Taxi hier herfahren. Weil der Zug durch die Bergfahrt so lange gebraucht hat, konnten sie ihn glücklicherweise überholen.
Der Rest der Fahrt verläuft ohne weitere Vorkommnisse oder Probleme. Wir lassen uns gemütlich durch die Gegend schaukeln, genießen die Ausblicke auf die Landschaft, die kleinen Dörfer, die wir passieren, die dicht bewaldeten Berge und den Fluss Rio Urubamba. An den Bahnhöfen bieten Frauen Souvenirs und Essen an. Pünktlich nach vier Stunden Fahrt sind wir in Aguas Calientes. Das Dorf liegt nur mehr auf 2030 m Höhe, seit Cusco sind wir 1300 Höhenmeter heruntergefahren. Die Luft ist schwül-feucht und heiß.
Während sich alle anderen Passagiere nach dem Aussteigen sofort auf den Weg zum Bus machen, um zu den Ruinen zu fahren, suchen wir uns ein Hotelzimmer, deponieren unser Gepäck und bummeln durch die wenigen Gassen des Ortes. Wir besorgen uns schon mal die Eintrittskarten für Machu Picchu (20,– US$ pro Person) sowie die Bustickets (4,50 US$ pro Person und einfache Fahrt). Mittags schauen wir von einem der Restaurants am Bahngleis zu, wie der tren social (= Zug der Einheimischen) mitten im Ort hält (die Touristenzüge halten weiter außerhalb). Innerhalb von Sekunden türmen sich Gepäckstücke und Kleinkinder auf den Gleisen, die entweder von Familienmitgliedern oder bezahlten Lastenträgern geschultert und weggetragen werden.
Am nächsten Morgen sind wir bereits um kurz nach sechs Uhr an der Bushaltestelle und erwischen den ersten Bus. Auf lang gezogenen Serpentinen geht es 400 m hinauf und bereits um halb sieben sind wir bei den Ruinen. Unser erster Weg führt natürlich sofort zum Aussichtspunkt. Von dort bietet sich die klassische Ansicht auf Machu Picchu, die man auf jeder Postkarte findet. So früh am Morgen ziehen noch Nebelschwaden über die Mauerreste und verleihen dem Ganzen eine besonders stimmungsvolle Atmosphäre. Wir warten solange ab, bis die Gruppen, die lautstark vom Inka-Trail kommen, weiterziehen, damit wir den Anblick in Ruhe genießen können.
Machu Picchu wurde 1911 von dem Amerikaner Hiram Bingham entdeckt, doch noch immer ist nicht bekannt, welchem Zweck die Stadt eigentlich gedient hat. Verschiedenes deutet darauf hin, dass sie ein religiöses und astronomisches Zentrum war, doch sind ebenso Wohnviertel vorhanden und die Bewohner der Stadt waren durch die vielen Terrassenfelder in der Lage, sich selbst zu versorgen.
Wir besichtigen die einzelnen Teile der Anlage: die Wohngebäude, den Palast- und Tempelbezirk, den Sonnenstein, das Handwerkerviertel, die Straße der Brunnen, das Gefängnis, den heiligen Felsen, das Viertel der drei Türen und was es sonst noch so alles gibt. Am Nachmittag steigen wir noch einmal zum Aussichtspunkt hoch. Jetzt liegt uns die Anlage im strahlenden Sonnenschein zu Füßen und wir ruhen uns vom Herumlaufen aus. Das ständige Auf- und Absteigen ist auf die Dauer ganz schön anstrengend. Das Sonnenfeld, der Hauptplatz, ist die einzige ebene Stelle in der Stadt. Alles andere ist nur treppauf- oder treppab erreichbar.
Nach acht Stunden Besichtigung ist es dann genug. Zurück nach Aguas Calientes fahren wir nicht mit dem Bus, sondern steigen über einen sehr steilen Fußweg durch den Bergurwald hinab, bis wir zur Hängebrücke am Rio Urubamba kommen. Von da aus geht es auf der Piste weiter und nach insgesamt einer Stunde haben wir unser Hotel erreicht.
Am Nachmittag des folgenden Tages geht es mit dem Zug zurück nach Cusco. Dort verbringen wir noch das Wochenende, dann fahren wir auf direktem Weg nach Nazca.
Entdeckt wurden die ersten Darstellungen 1939 vom Amerikaner Paul Kosok, als er mit einem Flugzeug über die Pampa Colorada flog. Richtig bekannt wurden sie jedoch erst durch die Deutsche Maria Reiche, die ihr Leben damit verbracht hat, die Linien, Figuren und geometrischen Formen zu erforschen, vermessen und zu enträtseln. Ganz ist das weder ihr noch anderen Wissenschaftlern bisher gelungen. Man vermutet eine Art astronomischen Kalender, weil manche der Linien auf Punkte der Sonnen- bzw. Wintersonnenwende zielen, die wichtig für die damalige Landwirtschaft waren. Auch dass es sich um Abbildungen von Sternbildern handeln könnte, ist eine weitere Theorie. Es ist außerdem noch nicht klar, ob die Konstrukteure der Linien diese überhaupt selbst sehen konnten.
Maria Reiche ließ direkt neben der Panamericana einen 11 m hohen Aussichtsturm erbauen, von dem aus man zwei Figuren, die Hände und einen Baum, sehen kann, doch die Perspektive ist verzerrt. Nur vom Flugzeug aus kann man die Figuren richtig erkennen. Am Flugplatz in Nazca bieten verschiedene Gesellschaften entsprechende Rundflüge an (30 Minuten, 40,– bis 50,– US$ pro Person).
Mit einer kleinen, dreisitzigen Maschine starten wir morgens zu einem Rundflug. Vor dem Abflug erklärt uns der Pilot anhand einer Karte noch, was wir sehen werden und während des Fluges informiert er uns dann über Kopfhörer kurz vor Erreichen der jeweiligen Figur. Als erstes sehen wir einen Wal, dann mehrere Trapeze, eine Figur, die in eine Felswand geritzt ist und als „Fischer“ oder „Astronaut“ bezeichnet wird. Mit seinem erhobenen Arm sieht es aus, als ob uns das Männchen zuwinken würde. Als nächstes überfliegen wir einen 70 m großen Affen, dann einen Hund und einen Kondor; wir sehen einen Kolibri, eine Spinne, einen Vogel mit einem 300 m langen Schnabel sowie einen Papagei. Zum Schluss drehen wir eine Runde über dem Aussichtsturm und können so auch die Hände und den Baum in der richtigen Perspektive erkennen.
Zwischen den großen figürlichen Darstellungen verlaufen kilometerlange, schnurgerade Linien, außerdem gibt es noch geometrische Darstellungen. Wir sehen unter anderem eine Spirale sowie einen Stern. Viel zu schnell vergeht die Zeit und wir sind wieder auf dem Rückflug. Immerhin haben wir so wenigstens ein paar dieser großartigen und geheimnisvollen „Scharrbilder“ in dem 1000 qkm großen Gebiet zwischen Nazca und Palpa zu sehen bekommen.
In Nazca hören wir schon wieder von einem Streik der Bus- und Lkw-Fahrer. In Richtung Süden soll es vor allem bei Arequipa zu Straßensperren kommen. Normalerweise dauert ein Streik entweder 24 oder 48 Stunden, wird uns erzählt. Dieses Mal jedoch sei das Ende offen, keiner weiß, wie lange er dauern wird. Im Moment betrifft uns das noch nicht. Wir machen erst noch einen Abstecher nach Norden, zur Oase Huacachina, die bei Ica liegt.
In einem Gebiet mit riesigen Sanddünen ist eine kleine schwefelhaltige Lagune und darum herum gibt es ein paar Hotels. Diese Landschaftsform hätten wir hier überhaupt nicht erwartet, das Ganze würde viel besser nach Afrika passen. Die Oase ist ein beliebtes Ausflugsziel. Man kann sich Sandboards mieten und damit die Dünen herunterrutschen oder mit einem Sandbuggy spazieren fahren. Wir besteigen eine der etwa 100 m hohen Dünen und oben bietet sich ein toller Ausblick auf immer noch mehr Sanddünen. Einzig der heftige Wind stört. Er wirbelt den Sand so stark auf, dass wir bald über und über voll damit sind. Wir sind froh, dass wir für die Videokamera einen Gehäuseschutz haben. Die Firma ewa-marine hat ihn uns zur Verfügung gestellt. Eigentlich ist es ein Unterwassergehäuse und dadurch 100 % dicht. In dem Fall schützt das Gehäuse die Videokamera auch gegen den Sand und wir können bedenkenlos filmen.
Über den Streik gibt es widersprüchliche Angaben. In Nazca hören wir, dass der Verkehr wieder freigegeben wurde. Von der Polizei außerhalb dagegen werden wir informiert, dass es weiterhin zu Sperren kommt. Nun, wir werden sehen. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis wir nach Arequipa kommen. Erst wollen wir noch ein paar Mumien anschauen.
Etwa 30 Kilometer südlich von Nazca ist in der Wüste ein großer Friedhof, auf dem 800 Gräber für bis zu 3000 Personen sein sollen. Sie werden der Nazca-Kultur zugeschrieben. Die wertvollsten Sachen sind natürlich schon längst von Grabräubern gestohlen worden. Trotzdem ist es interessant, sich das Dutzend Gräber anzusehen, das vom peruanischen Kulturinstitut hergerichtet wurde. Die gemauerten Gräber befinden sich in der Erde. Und darin sitzen dann ein oder mehrere Mumien, neben mehreren Totenschädeln, Knochen oder sonstigen Fundstücken.
Für uns geht es weiter auf der Panamericana in Richtung Süden. Die Fahrt ist wenig abwechslungsreich, die Wüste begleitet uns die ganze Zeit. Auf ein paar Hundert Kilometern fahren wir am Meer entlang und bekommen so den Küstennebel mit. Er bleibt bis gegen Mittag bestehen und zusammen mit dem Wind ist es dann feucht, kalt und ungemütlich. Nur am Nachmittag haben wir für ein paar Stunden Sonne. Nach zwei Tagen erreichen wir am Spätnachmittag Arequipa. Blockaden gibt es keine, uns kommen vielmehr zahlreiche Lkws entgegen. Am Straßenrand sehen wir noch die Reste von verbrannten Reifen, Zeichen des vorangegangenen Streiks. Dass er gerade mal zwei Stunden, bevor wir ankommen, beendet worden ist, lesen wir erst am nächsten Tag in der Zeitung.
Als Hauptattraktion in Arequipa gilt das Kloster Sta. Catalina. Es wurde 1580 gegründet und war 390 Jahre für die Öffentlichkeit geschlossen. Erst 1970 wurde es auf Veranlassung der wenigen Nonnen, die noch darin wohnten, zugänglich gemacht. Zum ersten Mal konnten Besucher die „Stadt in der Stadt“ betreten. Diese Bezeichnung ist berechtigt, wir haben das Gefühl, in einem spanischen Ort spazierenzugehen. Das liegt natürlich auch daran, dass die Gassen Namen von spanischen Städten tragen – Calle Malaga, Cordoba, Toledo, Sevilla, Granada. Ursprünglich waren die Gebäude ganz in Weiß gehalten, inzwischen sind die Bereiche in unterschiedlichen Farben gestrichen. Im warmen Licht der Nachmittagssonne verleihen sie dem Ganzen eine unglaublich friedliche Atmosphäre.
Wir folgen dem mit Pfeilen ausgeschilderten Rundgang und schauen uns alle zugänglichen Räumlichkeiten an. In den Besucherzellen sehen wir noch die Gitter, durch die die Nonnen mit ihren Angehörigen sprechen durften. Dann kommen wir in den Wohnbereich, der den Novizinnen zur Vorbereitung auf ein Leben im Kloster diente. Ihre Zimmer waren sehr einfach eingerichtet und vom Hauptkloster abgetrennt. In diesem Bereich lebten die Nonnen dann je nach ihren Geldmitteln in mehr oder weniger gut ausgestatten Räumen. Immer gehörte ein Küchenraum dazu, von dem aus eine Treppe aufs Dach des Gebäudes führt. Dort lebten dann die Dienstmädchen, die für die groben Arbeiten zuständig waren.
In der ehemaligen Krankenstation ist jetzt ein Museum eingerichtet. In Glasvitrinen werden unter anderem Porzellan, kostbare Stickereien und Monstranzen ausgestellt sind. Im hinteren Ende des Klosters liegt der alte Friedhof, der nicht zugänglich ist. Ihm gegenüber befinden sich der Waschplatz und daran anschließend der Klostergarten. Im ehemaligen Klosterladen ist jetzt eine Cafeteria. Daneben können wir die Hauptküche bewundern, deren Wände durch die Feuerstellen ganz schwarz sind. Es sind noch die alten Öfen und Backformen vorhanden sowie ein großer gemauerter Brunnen. Danach kommen wir auf einen Platz mit einem Springbrunnen. In der Nähe ist das ehemalige Badehaus und es gibt mehrere Privathäuser von Nonnen. In ihnen sind noch Teile der damaligen Einrichtung belassen worden. Im Haus der Sor (= Schwester) Ana Los Angeles Monteagudo lesen wir Dankesbriefe, denn ihr werden wundertätige Dinge nachgesagt. Angeblich hat sie einen unheilbar Kranken geheilt und wurde deshalb 1985 vom Papst selig gesprochen.
Mit dem Erreichen des so genannten Rosenkreuzgangs sind wir schon fast am Ende. Die Kirche kann nicht besichtigt werden, aber durch den unteren Chor geht es in den ehemaligen Schlafsaal. Er wurde ebenfalls zum Museum umfunktioniert und enthält jetzt Gemälde.
Von Arequipa aus machen wir einen mehrtägigen Abstecher zum Cañon del Colca. Er wird als die tiefste Schlucht der Welt vermarktet, was auch zutrifft, wenn man von der Schlucht bis hinauf auf den dahinter liegenden Gipfel von 5225 m rechnet. Doch eigentlich sind es „nur“ 1200 m vom Rand der Schlucht bis zum Fluss hinunter.
Uns geht es aber nicht nur um den Cañon, sondern vielmehr um die Kondore, die man dort aus nächster Nähe beobachten kann. Sie lohnen den Aufwand der Fahrt, wenn diese auch alles andere als angenehm ist. Von Wellblech über steinigen Untergrund bis hin zu Schlaglöchern, wir kommen in den zweifelhaften Genuss von wirklich allen Arten schlechter Piste. Das ist aber alles vergessen, als wir morgens um halb sieben als erste am Aussichtspunkt „Kreuz des Kondors“ sind und bereits ein Dutzend der größten flugfähigen Vögel Südamerikas in der Luft schweben sehen. Es sind sowohl Jungtiere, die noch das unauffällig braune Gefieder haben, als auch bereits erwachsene Tiere. Nur sie haben das schwarze Gefieder und den auffällig weißen Kragen.
Unter uns sitzen auf einem Felsvorsprung noch ein paar Kondore, die es nicht eilig haben und ausgiebig miteinander schnäbeln. Plötzlich fliegt ein weiterer Vogel heran, der wahrscheinlich ebenfalls dort landen wollte, aber aus Platzmangel durchstarten muss. Mit einem gewaltigen Flügelschlagen rauscht er in etwa 10 m Entfernung an uns vorbei. So nah kommt aber normalerweise keines der Tiere. Sie lassen sich von den Aufwinden, die aus dem Tal kommen, ohne Flügelschlag herumtragen und gehen von hier aus auf die Jagd. Nach bereits zwei Stunden sind nur noch ein paar von ihnen zu sehen.
Damit beenden wir unseren Peru-Aufenthalt. Wir fahren dieselbe Strecke wieder zurück nach Arequipa und dann auf der Panamericana südwärts nach Chile.