Die Migracion dauert keine fünf Minuten. Beim Zoll dagegen gibt es gleich mehrere Papiere für den Unimog. Der Mann muss alles per Hand schreiben und ist fast eine Stunde lang beschäftigt, drei verschiedene Formulare in 2facher Ausfertigung auszufüllen. Er und sein Kollege entschuldigen sich mehrmals, dass es so lange dauert.
Die Ankunft in Brasilien ist eine Wohltat. Hier ist alles sauber und geordnet. Wir fahren zu einem Campingplatz und sind hocherfreut als wir sehen, dass er sogar einen Swimmingpool hat. Vor dem Abendessen schwimmen wir noch ein paar Runden und das lässt uns die Hitze und den Stress der letzten Stunden vergessen.
Foz do Iguaçú ist Ausgangspunkt für zwei Sehenswürdigkeiten der Superlative.
Das sind zum einen die größten Wasserfälle der Welt und zum anderen das größte Wasserkraftwerk der Welt.
Das Kraftwerk „Usina Hidreléctrica da Itaipu Binacional“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Paraguay und Brasilien. Es wurde in der Zeit von 1975 – 1984 gebaut und staut den Grenzfluß Río Paraná auf. Der dadurch entstandene Lago do Itaipu speist zur Zeit noch 18 Turbinen (zwei weitere sind gerade im Bau), die ein Viertel des Strombedarfs von Brasilien und 95 Prozent des Strombedarfs von Paraguay erzeugen. Die Besichtigung des Kraftwerks ist kostenlos. Erst bekommen wir einen Video zu sehen, anschließend fahren wir eine Stunde lang mit einem Bus über das Gelände. Wir erfahren natürlich wieder Unmengen von Zahlen, haben uns aber nur ein paar Beispiele gemerkt:
Das Projekt war natürlich bei Umweltschützern umstritten, was allerdings nicht erwähnt wird. Dagegen findet der „Wald“ Erwähnung, der dadurch entsteht, dass jeder Arbeiter, der 15 Jahre im Werk arbeitet, einen Baum pflanzt. Bisher sieht das Ganze aber noch recht kümmerlich aus.
Auch das Denkmal zu Ehren aller Arbeiter darf nicht vergessen werden. Es steht am einzigen Stopp, bei dem wir einen Panoramablick auf die Staumauer mit ihren 196 Metern haben.
Die Iguaçú-Wasserfälle (= Cataratas) liegen im Iguaçú-Nationalpark, der große Gebiete subtropischen Regenwalds sowohl auf der brasilianischen als auch auf der argentinischen Seite schützt.
Als erstes beginnen wir mit einem Besuch der brasilianischen Seite. Wir verlassen den Doppeldeckerbus, der die Besucher vom Informationszentrum in den Park hineinbringt, am Anfang eines ca. 1 km langen Panoramaweges.
Der Plattform gegenüber sehen wir bereits einen Teil der insgesamt fast 3 km breiten, u-förmigen Schlucht, in die sich angeblich 270 Wasserfälle ergießen. Auf dem weiteren Weg bieten sich dann immer wieder neue Ausblicke auf das Wasserspektakel. Dazwischen sehen wir unzählige bunte, leuchtende Schmetterlinge, die sich im Gebüsch tummeln. Am Ende des Cañons führt ein Steg weit hinein ins Wasser, damit man noch unmittelbarer an das Geschehen herankommt. Die aufsteigende Gischt sprüht uns nass, bringt aber gleichzeitig je nach Sonneneinfall herrliche Regenbögen hervor.
Am nächsten Tag stehen wir wieder am Ende des Cañons, dem sogenannten Teufelsrachen, dieses Mal jedoch auf der argentinischen Seite. Auch hier führt ein Steg ins Wasser hinein, um den Besuchern einen Eindruck der Wassermassen, die sich hier 90 m in die Tiefe stürzen, zu vermitteln. Der argentinische Park ist weitläufiger, es gibt mehrere Wege, die zu verschiedenen Wasserfällen führen. Alles an einem Tag abzulaufen ist fast nicht zu schaffen. Dieses grandiose Naturschauspiel ist es auf jeden Fall wert, dass wir noch einmal vorbeikommen.
Als wir Weihnachten in Ushuaia waren, haben wir Ademir, einen Brasilianer, kennengelernt, der in Porto Alegre wohnt. Ihn wollen wir besuchen und fahren deshalb von Foz aus quer durchs Land. Die Landschaft entspricht so gar nicht den Klischeevorstellungen von Brasilien. Hügelig, mit viel Laubwald, wir könnten auch irgendwo in Europa unterwegs sein. Das Wetter ist diesig, mit tiefhängenden Wolken und erinnert uns an daheim. Namen wie „Wursthaus“, die Gärtnerei „Blumenfreund“, „Opas Kaffe Eck“ oder die Ankündigung zum „Kartoffelfest“ sowie die vielen blonden Leute weisen darauf hin, dass die Gegend von deutschsprachigen Einwanderern besiedelt worden ist. In Porto Alegre besuchen wir Ademir, der ebenfalls deutschstämmig ist. Wir begleiten ihn auf einer Fahrt nach Caxias. Dabei gehen wir zum Mittagessen in ein Lokal, in dem deutsch gesprochen wird. Dass wir aus Deutschland kommen, begeistert den Besitzer und er ruft deshalb gleich seinen Bruder an. Der wohnt in Sao Vendelino, hat gerade Zeit und will uns kennenlernen. Als wir dort ankommen, werden wir ins Rathaus geführt, denn der Bruder ist hier Bürgermeister. Er lässt uns von unserer Reise und der geplanten Brasilientour erzählen und berichtet seinerseits von dem Leben in der Gemeinde, dem Erhalt der deutschen Sprache und der Pflege von Traditionen. Als Andenken bekommen wir T-Shirts und eine Baseball-Mütze. Auf dem Rückweg nach Porto Alegre gehen wir zum Kaffee trinken. Auch hier ist die Besitzerin deutschstämmig, spricht deutsch und ihr Marmorkuchen schmeckt original wie daheim.
Bevor wir Porto Alegre wieder verlassen, werden wir noch interviewt. Das erste Mal von zwei Reporterinnen einer brasilianischen Homepage (www.inema.com.br), auf der alles rund um sportliche Aktivitäten sowie Motorsport veröffentlicht wird. Beim zweiten Mal ist ein Team eines des bekanntesten Fernsehsenders Brasiliens, Globo TV, da. Die Brasilianer sind offensichtlich von unserem Unimog begeistert. Wo immer wir auftauchen werden wir bestaunt, Autofahrer und Fußgänger grüßen und halten uns den hochgereckten Daumen entgegen, in Brasilien das Zeichen dafür, dass alles in Ordnung ist – tudo bem!
Wir fahren an der Küste entlang nach Norden, besuchen die Stadt Florianopolis und die Insel Santa Catarina. An ihrer Westküste ist Wellenreiten die Sportart. Egal ob Fußgänger, Rad-, Motorrad- oder Autofahrer, fast alle haben ein Surfboard dabei und es ist ziemlich was los an den Stränden.
In den Badeorten Porto Belo und Bombinhas, etwas weiter nördlich, ist dagegen nichts los. Die Appartementanlagen, Hotels und Campingplätze sind verrammelt, die Orte wirken nach Sonnenuntergang wie ausgestorben. Der Besitzer eines ebenfalls geschlossenen Strandlokals hat nichts dagegen, dass wir für ein paar Tage auf seinem Grundstück bleiben. Wir haben den Strand sozusagen vor der Haustür und es ist sogar warm genug, um im Meer zu baden. Allerdings nur zwei Tage lang, dann regnet es und wir fahren weiter.
Blumenau gilt als die deutsche Stadt Brasiliens. Sie wurde im September 1850 von 17 deutschen Auswanderern gegründet, heute hat sie etwas über 250 000 Einwohner. Ein erster Spaziergang zeigt uns, dass es hier tatsächlich noch Häuser im Fachwerkstil gibt. Die meisten stehen in der Geschäftsstraße Rua 15. November, die früher mal Wurststraße hieß. Alles wirkt aufgeräumt, ist sauber und ordentlich. Auffällig sind deutsch klingende Namen, um nur einige zu nennen: das Hotel Himmelblau, die Firma Hering, mehrere Straßennamen erinnern ebenfalls an Mitglieder dieser Familie, es gibt das Restaurant Frohsinn, die Einkaufszentren Bremen und Neumarkt, das Museum Fritz Müller usw…
Es findet sich auch fast immer jemand, der deutsch spricht, wenn wir danach fragen. Allen voran natürlich im Touristenbüro. Dort bekommen wir auch Informationen zum am Wochenende stattfindenden Tanzfestival. Es werden 29 Gruppen auftreten und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Gruppen in Dirndl und Lederhosen treten genauso auf wie Sambaformationen und afro-brasilianische Gruppen, Vertreter der italienischen und ukrainischen Einwanderer zeigen Tänze aus ihren Heimatländern, Gauchos aus dem Süden wechseln sich mit Tänzern des mystischen Macumbe-Kultes ab. Es zeigt sich die ganze Bandbreite des multikulturellen Lebens in Brasilien.
Das Festival ist verteilt über die ganze Stadt an verschiedenen Plätzen, hauptsächlich aber in einer Halle auf dem Oktoberfestgelände. In Blumenau findet ja das zweitgrößte Oktoberfest statt. Das Festgelände ist eine ganzjährige Einrichtung, die Souvenirläden sind im germanischen Stil gehalten, das heißt fachwerkähnlich verkleidet und das ganze Jahr über können sich Touristen mit Souvenirs versorgen. Es gibt Trachtenpuppen, Bierkrüge und man kann sich im Dirndl fotografieren lassen. In einem Laden kommen wir mit zwei Damen ins Gespräch, die uns vom Ursprung des Oktoberfestes erzählen. 1983 und1984 haben zwei verheerende Hochwasser große Teile Blumenaus überschwemmt. Um Geld für den Wiederaufbau zu bekommen, kam man auf die Idee des Oktoberfestes. Es findet 2002 bereits zum19. Mal statt und hat sich im Laufe der Zeit zu einem derartigen Renner entwickelt, dass es Publikum aus der ganzen Welt anzieht. Allen voran Musik- und Volkstanzgruppen aus Deutschland.
Durch die beiden Damen lernen wir auch den ehemaligen Organisator des Festes kennen. Er tritt am Wochenende mit seiner Musikgruppe bei einem Schützenfest auf und lädt uns dazu ein.
Als wir am Samstag nachmittag beim Vereinsheim des Schieß- und Kegelclubs ankommen, sind die Wettbewerbe schon voll im Gange. Wir schauen beim Kegeln und Schießen zu, dann lernen wir den Brauch kennen, „den König abzuholen“. Mit 2 Bussen und Musik geht es bis kurz vor dessen Haus. Dann nehmen alle Aufstellung und im Takt zur Marschmusik marschieren etwa 100 Personen zum Haus des „Königs“. Dort gibt es erst viele Ansprachen, in protugiesisch, die wir leider nicht verstehen. Aber beim anschließenden Kuchenbuffet, belegten Broten und Bier kommen wir mit etlichen Leuten auf deutsch ins Gespräch und unterhalten uns bestens. Nach zwei Stunden geht es zurück ins Vereinsheim, wo die Sieger der Wettbewerbe bekanntgegeben werden. Dann ist zwei Stunden lang Pause, in der die Leute zum Essen heimgehen und sich umziehen. Ab 22.00 Uhr geht es weiter mit Blasmusik und Tanz. Wir sind natürlich wieder mit dabei, tanzen Walzer und Polka und geben erst um 3.00 Uhr morgens auf, gehören aber damit nicht zu den letzten.
Neben Blumenau gibt es noch viele andere Orte, die von deutschen Auswanderern gegründet wurden. Während eines Tagesausflugs fahren wir ins 30 Kilometer entfernte Pomerode (20 000 Einwohner). Auf dem Platz in der Stadtmitte steht ein Maibaum und auch sonst fühlen wir uns versetzt in eine deutsche Kleinstadt.
Nach diesem Ausflug haben wir fürs erste genug deutsches gesehen und fahren weiter in Richtung Küste. Allmählich bekommen wir dabei das Gefühl, erst jetzt so richtig in Brasilien anzukommen. Nicht dass sich etwas an der Landschaft verändern würde, die ist immer gleich: Grüne Hügel, bewachsen mit dichtem Wald oder abgeholzt und neu bepflanzt mit Bananenplantagen. Es sind vielmehr die Menschen, die sich verändern und deren Hautfarbe dunkler wird.
Parati (oder Paraty oder Paratii) ist ein kleiner Ort, der zwei Blütezeiten hatte: Erst unter den Portugiesen, die den Hafen für Gold- und Edelsteinexport nutzten, dann Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Anbau und der Verarbeitung von Zuckerrohr. Von den Portugiesen blieben die zumeist einstöckigen Kolonialbauten übrig. Sie liegen alle in der vollständig unter Denkmalschutz gestellten Altstadt, die glücklicherweise für Autos gesperrt ist. So macht das Bummeln durch die engen, holprig gepflasterten Gassen viel mehr Spaß. Es gibt ein paar Kirchen zu bewundern und vor allem natürlich die Häuser, die weiß gestrichen sind und als Besonderheit kunterbunte Türen und Fenster haben.
Es ist Fronleichnam und in mehreren Straßen sind Erwachsene und Kinder damit beschäftigt, aus gefärbtem Sägemehl große Bilder auf den Boden zu „zeichnen“. Es handelt sich um durchweg religiöse Motive, deren Herstellung Stunden dauert und von den Beschäftigten viel Mühe und Sorgfalt erfordert. Am Abend zieht dann die Prozession durch die geschmückten Gassen und innerhalb einer Viertelstunde werden die aufwendig gestalteten Bilder von den Menschen zerstört, die darüber laufen.
Parati hält ein paar Überraschungen für uns bereit. Als erstes treffen wir auf dem Campingplatz Motorradfahrer wieder, mit denen wir 2 Monate vorher in San Pedro de Atacama gesprochen hatten. Und als sie weg sind, kommen Sonja und Martin daher, die Weihnachten ebenfalls in Ushuaia waren. Doch das beste sind gleich mehrere e-mails, in denen uns geschrieben wird, dass unsere Flaschenpost gefunden wurde. Wir hatten während der Überfahrt nach Buenos Aires im Oktober 2001 eine Flaschenpost über Bord geworfen, die jetzt, nach sieben Monaten, von einem Fischer am Strand gefunden wurde. Wir freuen uns riesig darüber und werden den Fischer auf jeden Fall besuchen.
Doch erst einmal machen wir Strandurlaub. In einer Bucht mit Sandstrand finden wir einen Platz, wo wir zweieinhalb Wochen bleiben. Weil momentan keine Saison ist, öffnen Restaurants und Läden meist nur am Wochenende für die Tagesausflügler und ansonsten ist es herrlich ruhig und erholsam. Wir werden Stammgast in einem Laden, der auch als Kneipe dient. Dort schauen wir jeden Morgen die Spiele der Fußball-WM an. Besonders laut geht es natürlich her, wenn Brasilien spielt. Egal zu welcher Zeit, es gibt immer Kracher und Feuerwerkskörper. Und die Zeitverschiebung bringt es mit sich, dass wir sogar zwei mal um 3.30 Uhr morgens aufstehen müssen, um ein deutsches und ein brasilianisches Spiel sehen zu können. Doch das gehört eben dazu, um bei diesem wichtigen Ereignis mitreden zu können.
Schon lange vor dem Erreichen des Endspiels werden wir von den Brasilianern immer wieder darauf angesprochen: Final = Alemanha – Brasil. Als es tatsächlich dazu kommt, sind wir bereits in Rio de Janeiro. Auch hier sitzen wir morgens wieder in einer Kneipe beim Fernsehen und verfolgen mit Spannung erst die deutsche Mannschaft und am nächsten Tag dann Brasilien, wo es sich entscheidet, dass die beiden Teams aufeinandertreffen.
Die Zeit bis zum Endspiel verbringen wir mit dem Besichtigen von Rio. Mit das schönste an Rio de Janeiro ist seine Lage zwischen den vielen Hügeln, sind die Strände und vorgelagerten Inseln. All das sieht man am besten von oben, beim Besteigen der beiden Hauptattraktionen in der Stadt. Vom 396 m hohen Zuckerhut sehen wir die Strände, sowohl die bekannten wie die Copacabana, Ipanema, Leblon, Botafogo und Flamengo als auch kleinere, unbekannte Buchten wie die Praia Vermelha. Vom gegenüberliegenden Wahrzeichen der Stadt, dem 704 m hohen Corcovado mit der Christusstatue darauf, blicken wir direkt in das Meer aus Hochhäusern unter uns und den dazwischen liegenden Favelas (Armenviertel), die sich die Abhänge hinaufziehen.
Unterhalb angrenzend an eine Favela liegt die deutsche Schule, in der wir auf einer Großleinwand am Sonntag das Fußball-WM-Endspiel zwischen Deutschland und Brasilien anschauen. Deutsche Farben schmücken nicht nur die Turnhalle und die Zuschauer, auch wir binden uns schwarz-rot-goldene Schleifen ans T-Shirt und schwenken zusammen mit den anderen unsere Fähnchen. Die Stimmung ist gut, bis die beiden Tore für Brasilien fallen. Danach werden die Anfeuerungsrufe immer leiser. Der Junge, der neben Sonja sitzt, ist so geknickt, dass er sich in seine Deutschlandfahne einwickelt und nichts mehr sehen will. Ein Reporter erwischt ihn dabei und am nächsten Tag finden wir sein Foto in der Zeitung. Die Stimmung der Brasilianer nach dem Sieg ist völlig unvorstellbar. Wir fahren an die Copacabana und stürzen uns dort in die riesige Menschenmenge, um ihnen beim Feiern zuzusehen. Vom Pudel übers Kleinkind bis zur Oma, alle tragen die brasilianischen Farben zur Schau und singen, tanzen und jubeln auf der Straße. Viele sind schon ganz heiser vom Schreien, halten uns die ausgestreckte Hand in die Kamera: Penta-Campion, fünffacher Weltmeister. Am Montag sind natürlich die Zeitungen voll davon, doch ansonsten merken wir nicht mehr allzuviel vom Trubel des vergangenen Tages.
Wir bleiben noch ein paar Tage, besichtigen das Maracana-Stadion, das größte Fußball-Stadion der Welt und machen einen Spaziergang durch die Innenstadt, bei dem wir an den meisten Sehendwürdigkeiten vorbeikommen – Teatro Municipal, Biblioteca Nacional, Museum der Schönen Künste, Convento Santo Antonio. Am besten gefällt uns jedoch die Bibliothek Real Gabinete Portugues de Leitura. Über mehrere offene Stockwerke erstrecken sich die vollgestellten Regale mit den alten Büchern portugiesischer Herkunft, deren Anzahl mit 350 000 angegeben wird. Beim Besuch des ältesten Kaffeehauses Rios, der Confeiteria Colombo, das ganz im europäischen Jugendstil gehalten ist, erholen wir uns dann wieder von unserem Rundgang.
Während unseres Rio-Aufenthalts erreichen uns e-mails von Angelika und Peter, die langsam vom Norden her kommen und mit denen wir uns unbedingt treffen wollen. Zeitlich und örtlich bietet sich Conceicao da Barra als Treffpunkt an. Das ist der Ort, an dem der Fischer unsere Flaschenpost gefunden hat. Nach 2 Tagen Fahrt erreichen wir die Kleinstadt (25 000 Einwohner) am Spätnachmittag und treffen am Ortsanfang auf die beiden. Die Wiedersehensfreude ist groß und es gibt natürlich viel zu erzählen, unser letztes Zusammentreffen liegt immerhin 4 Monate zurück. Wir finden neben einem Hotel einen schönen Standplatz direkt am Strand, wo wir uns für einige Tage niederlassen. Es werden einige aufregende Tage, nicht nur wegen unseres Treffens.
Der Fund der Flaschenpost hatte in der Stadt anscheinend für einige Aufregung gesorgt. Wir hatten ja bereits in Parati mehrere mails deswegen bekommen. Eines war von der Militärpolizei, die uns den Fund gemeldet hat. Wir hatten unsere Mitteilung in englisch, deutsch und spanisch verfaßt, doch das konnte niemand lesen und man war anfangs der Meinung, es könnte sich um einen Notfall handeln. So erklärte es uns eine Brasilianerin in einem weiteren mail, die der Polizei die englische Version übersetzt hat. Dann bekamen wir noch mehrere mails von einem Fernsehsender, die ebenfalls von dem Fund verständigt worden sind. Sie hatten auf unserer homepage von unserer Reise gelesen und nachdem wir zur selben Zeit in Brasilien waren, noch dazu ganz in der Nähe, wollten sie ihre Reportage über den Fund unbedingt mit einem Treffen zwischen uns und dem Fischer vervollständigen.
Also rückt am Montag eine Reporterin mit Kameramann an, macht Interviews mit uns und dann treffen wir endlich den Fischer Paulo und seine Frau. Beide sind erst sehr gerührt von der Begegnung, können es kaum glauben, dass wir es wirklich sind. Doch bald wird viel gelacht und wir haben viel Spaß zusammen, wenn die Unterhaltung auch meist mit Händen und Füßen vor sich geht, weil wir nur wenige Worte portugiesisch sprechen. Am Abend wird der Beitrag über den Flaschenfund bereits gesendet und wir schauen ihn uns zusammen mit Angelika und Peter im Hotel an. Danach kennt uns natürlich jeder in der Stadt, zumal das Ganze am Dienstagvormittag wiederholt wird.
Wir sind zu der Zeit gerade bei der Militärpolizei und bekommen dort nochmal die Flasche zu sehen, die wir damals ins Meer geworfen haben. Der Brief und unsere Visitenkarte sind völlig unversehrt, nichts ist nass geworden, die Schrift nicht zerlaufen. Es ist einfach unglaublich. Heute ist die Verständigung einfacher, denn die Männer bei der Polizei haben zwei dänische Touristinnen gefunden, von denen eine portugiesisch und die andere deutsch spricht und mit deren Hilfe werden dann alle Fragen beantwortet. Es werden natürlich viele Fotos gemacht, besonders als sich auch noch der Bürgermeister zu uns gesellt. Er bittet uns für weitere Gespräche ins Rathaus, erklärt uns dort verschiedenes von der Stadt und lädt danach alle Beteiligten zum Mittagessen in ein Restaurant ein.
Nachdem wir uns noch die Dünen am Nachbarstrand Itaunas angeschaut haben, lassen wir es für den Rest der Woche ruhiger angehen. Im Hotel dürfen wir den Swimmingpool benutzen, wovon wir fast jeden Tag Gebrauch machen und ansonsten bummeln wir durch die Stadt oder verbringen die Zeit mit Nichtstun.
Nach 9 Tagen geht es weiter, wir wollen noch bis Vitoria gemeinsam fahren.
Angelika und Peter wollen zu Mercedes Benz und eigentlich wollen wir sie dabei nur begleiten. Doch es kommt ganz anders als geplant. Ihr Auto ist innerhalb von 2 Tagen repariert und sie können die Fahrt fortsetzen. Wir dagegen sitzen für einige Tage fest, weil wir auf Ersatzteile aus Deutschland warten müssen.
Das Ganze beginnt damit, dass Klaus beim Abstellen des Unimogs auf einem Parkplatz merkt, dass der linke Vorderreifen ungewöhnlich schief steht und die Felge heiß ist. Beim Aufbocken der Achse stellt er fest, dass das Gelenklager total ausgeschlagen ist. Langsam fahren wir deshalb zu Mercedes zurück und erklären dort unser Problem. Vor allem, dass wir einen Standplatz brauchen, der es uns ermöglicht, dass wir in der benötigten Zeit im Auto wohnen können. Als das alles organisiert und festgelegt ist, fangen wir noch am gleichen Tag an. Wir zerlegen das Vorgelege und bauen den Achsschenkel ab. Dabei sehen wir, dass vom Gelenklager kaum mehr was übrig ist, es ist total zermahlen. Dadurch wurden auch einige Kugellager im Vorgelege beschädigt. Sie können wir bereits am nächsten Tag durch verstärkte Rollenlager ersetzen, die wir glücklicherweise als Ersatzteile dabei haben. Wir können die meisten Arbeiten selbst erledigen, nur das Aus- und Einpressen der Lager sowie das Schleifen der Bremsscheibe lassen wir machen. Bei dem derzeitigen Umrechnungskurs sind die Stunden bei Mercedes bezahlbar. Sie kosten 46 reais pro Stunde, das sind umgerechnet 32 DM (ja wir rechnen immer noch in Mark, schließlich haben wir noch keinen Euro ausgegeben).
Der kaputte Gelenklager-Kit ist in Brasilien nicht aufzutreiben, wir müssen ihn aus Deutschland einfliegen lassen. Wir verständigen deshalb Ludwig Stumbaum von Unimog Mayer in Gersthofen, der den Versand über DHL veranlasst.
In der Zwischenzeit richten wir uns unter dem überdachten Reifenmontierplatz bei Mercedes Benz häuslich ein. Wir können Toiletten, Duschen, Strom benutzen, mittags bekommen wir Essen in der Kantine, nachmittags Kaffee aus dem Büro-Automaten und bei der Reifenabteilung dürfen wir das Internet benutzen, um die Bestellung zu organisieren und nachzuschauen, wo unser Paket gerade unterwegs ist. Außerdem gibt es einen Fernseher und so ist der Sonntagvormittag mit der Formel Eins schon gesichert. Trotzdem sind wir natürlich froh, als alles erledigt ist und wir weiter fahren können.
Wir haben uns wieder mit Angelika und Peter verabredet und ab Campo Grande fahren wir gemeinsam ostwärts. In Bonito, einem kleinen Ort am Rande des Pantanal verbringen wir noch ein paar Tage beim Baden, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Die beiden fahren nach Paraguay, während wir auf der brasilianischen Seite am Rio Parana entlang fahren. In Foz do Iguazu treffen wir uns eine Woche später wieder auf dem Campingplatz (www.campinginternacional.com.br) und feiern Klaus’ Geburtstag. Danach machen wir mehrere Ausflüge nach Cuidad del Este/Paraguay und verbringen noch einmal einen ganzen Tag im argentinischen Nationalpark, um die Wasserfälle anzuschauen.
Als wir dann eigentlich schon abfahren wollen, kommen überraschend Ingelore und Rolf an. Sie sind ebenfalls mit auf dem Schiff von Hamburg nach Buenos Aires gewesen und so sitzen wir nach 9 Monaten wieder alle sechs gemeinsam beim Abendessen an einem Tisch.
Unsere Abfahrt verschieben wir natürlich noch um einen Tag, schließlich gibt es nach so langer Zeit einiges zu erzählen.