Nach einigem Suchen und Herumfragen gibt uns eine Einheimische den Tip, wir sollten doch in einem Park übernachten. Sie erklärt uns den Weg zum “Park 3. Februar”. Zusammen mit Angelika und Peter finden wir dort in einer Nebenstraße beim Planetarium einen ruhigen Stellplatz für die Zeit unseres Aufenthalts in Buenos Aires. In die Innenstadt brauchen wir beim ersten Mal fast eine Stunde, weil wir den ganzen Weg zu Fuß gehen. An den übrigen Tagen nehmen wir dann den Bus, der diese Zeit auf gut 10 Minuten verkürzt und dabei auch noch mehrere Haltestellen anfährt. Die Busfahrer haben einen ziemlich flotten Fahrstil drauf und so kommt es schon mal vor, dass sie an einer Bushaltestelle vorbeirauschen, wenn sie zu spät sehen, dass einer der Wartenden winkt. Das macht aber nichts, weil alle paar Minuten ein Bus fährt.
Am ersten Tag beschränken wir unseren Stadtbummel auf ein Mittagessen, den Besuch des Automobilclubs und der Touristeninformation sowie einen kurzen Spaziergang durch die Fußgängerzone. Danach sind wir alle vier geschafft, wir sind noch müde von der vergangenen Nacht. Weil niemand wusste, wann wir unser Auto vom Schiff fahren können, hatten wir die Nacht – wie die anderen Reisenden auch – bereits im Fahrzeug verbracht. Wegen des Lärms, der beim Abladen der Container entstand, war an ein Durchschlafen jedoch nicht zu denken. Und bereits um fünf Uhr früh hieß es dann, es ginge los. Ging es aber dann doch nicht, es dauerte noch fast eine Stunde, bis wir endlich draußen waren.
Unsere Nacht im Park ist so ruhig, dass wir am nächsten Tag ausgeruht und ausgeschlafen sind. Die Sonne scheint und nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Auch heute sehen wir in den Grünanlagen wieder die “Hundeausführer”. Das sind Männer und Frauen, die mit den Hunden der Reichen Gassi gehen. Bis zu zwölf Hunde aller Rassen und Größen zählen wir bei einigen. Uns erstaunt es immer wieder, wie sich die Tiere alle miteinander vertragen, wenn sie in solchen Rudeln unterwegs sind.
Mit dem Bus fahren wir bis zur Avenida 9 de Julio, sie ist eine der wichtigsten Straßen und angeblich eine der breitesten der Welt, die Angaben dazu reichen von 125 m bis 143 m. Über mehrere Ampelanlagen überqueren wir die Straße und gehen weiter in die Fußgängerzone. Wie gestern auch schon, herrscht hier ein ziemliches Gedränge und wir sind froh, als wir an der Plaza de Mayo sind, wo wir uns auf einer Bank ausruhen und die umliegenden Gebäude betrachten können. Der Platz ist das historische Zentrum, an ihm liegen die Casa Rosada, das ist der streng bewachte Präsidentenpalast, das ehemalige Rathaus Cabildo, die Nationalbank und die Kathedrale. Damit beenden wir den Stadtbummel und fahren zurück in den Park.
Am Sonntag besuchen wir noch die Stadtviertel San Telmo und La Boca. In San Telmo findet sonntags auf der Plaza Dorrega ein Floh- und Trödelmarkt statt. Die Buden stehen dichtgedrängt und es wimmelt von Menschen. An einer Ecke tanzt ein Paar Tango und gibt damit ein begehrtes Fotomotiv ab. Wir bestaunen ausgiebig das umfangreiche Angebot der Marktstände, das das Herz eines jeden Flohmarktbesuchers höher schlagen lässt. Dann gehen wir weiter nach La Boca. Berühmt ist der Stadtteil wegen seiner originellen Häuser. Sie wurden aus Blech gebaut und bunt mit Farbe bemalt. Die Straße El Caminito mit ihren poppigen Fassaden wirkt wie eine Theaterkulisse, die Häuser werden jedoch ganz normal bewohnt. Die Anziehungskraft auf die Touristen haben sich Kunsthandwerker zunutze gemacht und bieten auf der Straße ihre Bilder mit Motiven des Viertels an. Die Nachmittagssonne beleuchtet das bunte Geschehen und das Ganze stellt einen schönen Abschluss für den Besuch von Buenos Aires dar, denn am nächsten Tag verlassen wir die Stadt.
Die Adresse der Flyranch haben wir aus einer Flugzeitschrift und aus dem Internet (www.flyranch.com.ar). Ohne uns vorher anzumelden fahren wir dorthin und treffen erstmal nur auf Onkar und Paula, die als eine Art Hausmeister dort arbeiten. Sie wirken nicht weiter überrascht, als wir ihnen erklären, dass wir hier fliegen wollen. Kurz nach unserer Ankunft erscheint Alex, Fluglehrer und Mitglied des dortigen Aeroclubs. Auf unsere Frage, ob wir ein paar Tage bleiben können, meint er lediglich, wir sollten uns wie zuhause fühlen und wir könnten fliegen, so oft und so lange wir wollten. Die Flyranch entpuppt sich als Mekka für Drachenflieger, die sich hier mittels eines Dragonfly (= Ultraleichtflugzeug) auf eine Höhe von 700 m Höhe schleppen lassen und dann über der Pampa die Thermik ausnutzen können. An guten Tagen sind Streckenflüge von 60 – 70 km bis ans Meer möglich. Wir haben hier zum ersten Mal Gelegenheit, unser Trike auszuprobieren.
In Deutschland sind wir wegen des schlechten Wetters und der Reisevorbereitungen nicht mehr dazugekommen. Doch jetzt haben wir täglich die Möglichkeit, morgens und abends zu fliegen. Von oben ist zu erkennen, wie spärlich die Bebauung ist. Dabei sind wir noch nicht mal allzuweit von Buenos Aires entfernt.
Für uns ist das der Vorgeschmack auf die kommende Zeit, in der wir in der dünn besiedelten Weite Patagoniens unterwegs sein werden.
Tagsüber ist der Wind zu heftig, da gibt es anderes für uns zu tun:
Die Zeit vergeht – im wahrsten Sinn des Wortes – wie im Flug. Nach einer erlebnisreichen Woche packen wir schweren Herzens zusammen. Wir wissen, dass es eine ganze Weile dauern wird, bis wir wieder die Gelegenheit zum Fliegen haben werden. Die stürmischen Windverhältnisse im Süden Argentiniens bzw. Chiles lassen das nicht zu.
Auf der Ruta 3 fahren wir tagelang in Richtung Süden, unserem nächsten Ziel entgegen.
Die Halbinsel Valdes ist bekannt für ihren Tierreichtum und wir hoffen, möglichst viel davon zu sehen. An der nördlichen Landspitze Punta Norte soll es eine Kolonie von See-Elefanten geben. Als wir hinkommen, sehen wir gerade mal ein Dutzend Weibchen. Die Tiere sind nicht sonderlich aktiv, sondern liegen einfach nur faul in der Sonne. Nach einem kurzen Stopp fahren wir weiter auf der Piste in Richtung Süden. An einer kleinen Bucht treffen wir zum ersten Mal auf Pinguine, die sich hier zahlreich versammelt haben. Die Tiere sind immer in Bewegung, es ist ein ständiges Hin und Her zwischen Wasser und Strand. Wir sind ganz begeistert von den putzigen Kerlchen und schauen ihren Unternehmungen lange zu.
Es gibt noch einen weiteren Aussichtspunkt, an dem man Pinguine sehen kann. Hier ziehen sich die Nester, die sie in den Boden graben, über den ganzen Abhang bis an den Strand hinunter und reichen bis an die Absperrung heran. Die Tiere haben sich anscheinend an die zahlreichen Besucher gewöhnt und sind überhaupt nicht scheu. Sie unterbrechen ihr Sonnenbad nur kurz, um uns neugierig beim Filmen und Fotografieren zuzuschauen.Danach stellen sie sich wieder mit geschlossenen Augen hin und lassen sich wärmen.
An die See-Löwen kommt man nicht so nah heran. Ihnen kann man von einer 30 m hohen Klippe bei ihren Aktivitäten zuschauen. Die Männchen, die tatsächlich eine Art Mähne tragen und daher leicht zu erkennen sind, leben in ständiger Konkurrenz untereinander. Entweder haben sie bereits einen Harem, den es zu verteidigen gilt oder sie sind auf der Suche nach Weibchen und müssen sich mit deren Bewachern anlegen. So ist für uns immer etwas geboten, wenn zwei oder mehr Rivalen aufeinander treffen, sich gegenseitig anbrüllen, ein paar Meter über den Strand jagen oder schon mal ihre Körper von 300 kg aufeinander klatschen. Die Weibchen haben es da schon leichter. Sie liegen in der Sonne, bis es ihnen zu heiß wird. Daraufhin stürzen sie sich ins Wasser, schwimmen mit unglaublicher Geschicklichkeit darin herum, jagen oder spielen miteinander. Bei herrlichem Wetter verbringen wir Stunden damit, auf der Klippe zu sitzen und die Tiere zu beobachten. Zum Übernachten fahren wir in eine Bucht am südlichen Ende der Halbinsel. Dort haben wir am nächsten Tag das Glück, Wale direkt vom Ufer aus beobachten zu können. In 10 – 20 m Entfernung tauchen immer wieder ein paar Wale auf. Wir vermuten, dass es sich um eine Mutter mit ihrem Jungen handelt. Sie ziehen langsam durch die Bucht, abwechselnd bekommen wir ihren Kopf oder die Schwanzflosse zu sehen. Klaus ist ununterbrochen am Filmen und Fotografieren. Zu unserer Überraschung packt den einen Wal anscheinend der Übermut. Bevor er die Bucht endgültig wieder verlässt, schnellt er hoch und springt aus dem Wasser. Wir zählen sechs Sprünge, dann ist leider Schluss. Anschließend sehen wir nur noch seine Wasserfontäne beim Ausblasen. Wir sind völlig fasziniert von den Walen und bleiben noch einen Tag. Die Tiere kommen am nächsten Tag auch prompt wieder. Sie tummeln sich den ganzen Tag über in der Bucht, strecken ihren riesigen Kopf aus dem Wasser (er nimmt etwa ein Viertel des gesamten Körpers ein) und “winken” beim Abtauchen mit der Schwanzflosse.
Nur das Schauspiel mit dem Herausspringen wiederholt sich nicht. Das bekommen wir erst am Tag darauf wieder zu sehen, während wir morgens noch beim Zähneputzen sind. Aus dem Fenster heraus können wir die Tiere dabei beobachten.
Die Tage auf Valdes haben uns viel Spaß gemacht und noch ganz erfüllt von den Erlebnissen mit den Walen fahren wir nach Punta Tombo. Hier gibt es die größte Pinguin-Kolonie auf dem argentinischen Festland. Die Zahlen reichen von 500 000 bis 1,5 Millionen Tieren. Die Pinguine leben auf einem riesigen Areal, wo sie ihre Wohnhöhlen in den Boden gegraben haben. Bis zu einem Kilometer sind manche vom Wasser entfernt, was für die Tiere mehrmals täglich einen ziemlich langen Marsch bedeutet. Vorsichtig und langsam fahren wir die Piste entlang. Immer wieder kreuzen Pinguine den Weg und sie haben natürlich absoluten Vorrang. Auch am Parkplatz ist es ein ständiges Kommen und Gehen. Wir gehen auf den befestigten Wegen ans Meer und sehen dabei unter fast jedem Busch eine Höhle. In manchen sind bereits Junge drin, die noch ganz flaumig aussehen und sich schutzsuchend an die Eltern kuscheln.
Die Älteren sind wahrscheinlich schon an die vielen Touristen gewohnt und lassen sich auf dem Weg ins Wasser nicht davon stören. Ganze Gruppen sind unterwegs und sie bieten mit ihrem watschelnden Gang immer wieder einen unterhaltsamen Anblick. Noch lustiger wirkt es, wenn mehrere Pinguine aufeinander treffen, wie im Gespräch miteinander kurz stehen bleiben und dann weiterwackeln. Einer erregt unser Mitleid, als er sich humpelnd auf den langen Weg ans Meer macht. Stundenlang schauen wir den drolligen Kerlchen zu und amüsieren uns über ihr Verhalten, in das man richtiggehend menschliche Züge interpretieren kann.
Zurück auf der Ruta 3 in Richtung Süden geht es durch schier endlose Pampa. Wir fahren stundenlang, ohne dass links oder rechts der Straße etwas anderes als Weideland bis zum Horizont zu sehen ist. Hinter den auf der Straßenkarte angegebenen Namen verbirgt sich manchmal nur eine Tankstelle oder eine Straßenkreuzung mit einem Restaurant. Auf die Dauer wird das Fahren dadurch ziemlich eintönig und einschläfernd. Eine willkommene Abwechslung bietet deshalb ein Abstecher zu den versteinerten Wäldern. Es gibt mehrere davon und wir entscheiden uns für den südlichsten. Vor 150 Millionen Jahren fielen Bäume aufgrund von starken Winden um und wurden anschließend von Vulkanasche bedeckt. Später begann dann ein langer Prozess, bei dem Regen die Asche auf den Baumstämmen durchdrang und alle Schichten mineralisierte. Durch den Versteinerungsprozess blieb die Holzstruktur erhalten und die herumliegenden Stämme sehen fast wie echtes Holz aus.
Wir haben unseren Rundgang beendet und uns beim Ranger nach dem Verlauf einer Piste erkundigt, auf der wir quer durchs Land fahren wollen. Gerade als wir am Einsteigen sind, sehen wir das Auto von Angelika und Peter heranrollen. An ein Weiterfahren ist jetzt nicht mehr zu denken und wir trinken erst mal zusammen Kaffee. Es ist selbstverständlich, dass wir außerhalb des Parkes gemeinsam übernachten, schließlich haben wir die beiden seit Buenos Aires nicht mehr gesehen und es gibt viel zu erzählen. Die größte Überraschung steht uns aber noch bevor. Die beiden haben nämlich einen deutschen Motorradfahrer getroffen, den wir ebenfalls kennen und den wir zuletzt Ende März in Nepal gesehen haben. Er ist – ohne dass wir davon wussten – seit einiger Zeit in Argentinien und hat die beiden einige Tage zuvor kennengelernt. Am frühen Abend kommt er an unserem Übernachtungsplatz vorbei und bleibt auch gleich da. Weil es durch dieses unerwartete Zusammentreffen natürlich noch mehr zu berede n gibt, verbringen wir den kommenden Tag auch noch dort.
Danach trennen sich die Wege für uns wieder. Doch weil wir die selben Sehenswürdigkeiten besichtigen wollen, werden wir uns sicher irgendwann mal wieder über den Weg laufen.
Wir fahren weiter zum Perito-Moreno-Gletscher. Er ist einer der wenigen Gletscher, der jährlich anwächst und größer wird. Die Gletscherzunge ragt 4 km breit und ca. 60 m hoch in den Lago Argentino. Von mehreren Aussichtsplattformen kann man zusehen, wie sich immer wieder kleinere und größere Stücke ablösen und herabstürzen. Am rechten Rand verbringen wir einige Stunden, in denen sich an einer Stelle immer wieder kleine Lawinen herunterkommen. Das gibt Anlaß zu der Hoffnung, dass hier vielleicht die ganze Wand herunterkommen könnte. Immer mehr Zuschauer versammeln sich und es liegt eine erwartungsvolle Spannung in der Luft. Dann endlich, nach vier Stunden Warten, wird unsere Geduld belohnt und unter riesigem Getöse bricht eine turmhohe Wand unter dem lauten Beifall der Menschenmenge in sich zusammen. Die Eisberge drehen sich nach dem Eintauchen in den See mehrmals um die eigene Achse, bis sie ihre endgültige Position gefunden haben und treiben dann ab.
Das schöne Wetter der ersten beiden Tage hält leider nicht an. Weil es immer mehr regnet, fahren wir am dritten Tag weiter, obwohl wir gerne noch mehr solcher spektakulärer Abbrüche gesehen hätten. Nach einem Tag Fahrt sind wir an der argentinisch-chilenischen Grenze. Die Grenzabfertigung in Argentinien besteht aus je einem Stempel in den Paß und das Fahrzeugpapier. Danach können wir gleich weiterfahren.