Für das Auto werden uns bei der Einreise gar keine Papiere ausgestellt mit der Erklärung, dass es schließlich nur den einen Grenzübergang gibt und wir bei der Ausreise sowieso wieder hier vorbeikommen würden.
Bei der Weiterfahrt in Richtung Süden können wir schon von weitem einige Hügel in der Ferne erkennen. Ganz allmählich gibt es auch wieder Bäume, ein ungewohnter Anblick, nachdem wir Hunderte von Kilometern durch die flache Pampa gefahren sind. Am frühen Abend erreichen wir den Lago Fagnano, einen riesigen See von 100 km Länge und 10 km Breite. An einer Stelle des Ufers sehen wir viele Einheimische beim Fischen und in der Nähe finden wir auch einen schönen Übernachtungsplatz. Klaus ist immer interessiert am Angeln und schaut den Männern deshalb längere Zeit zu. Es bläst ein heftiger Wind, der das Wasser stark aufwühlt, vielleicht beißen die Fische deshalb nicht an, noch liegen bei niemandem welche herum. Die Männer werfen jedoch weiterhin unermüdlich ihre Angeln aus. Während sich Sonja daran macht, das Abendessen vorzubereiten, ist einer der Fischer erfolgreich und zieht eine Lachsforelle heraus. Beim Wiegen ergibt sich ein Gewicht von 1,4 kg. Der Mann spricht Klaus an, ob er den Fisch möchte, ihm sei er zu klein. Er nimmt die Fische nur, wenn sie 3 – 4 kg haben. Uns ist der Fisch keinesfalls zu klein und wir nehmen ihn hocherfreut an. Er gibt in den folgenden Tagen zwei Mal ein leckeres Abendessen ab.
Der Wind hat die Wolken über Nacht vertrieben und bei strahlendem Sonnenschein und ungewöhnlich warmen Temperaturen erreichen wir am nächsten Tag Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Wir fahren ein Stück den Berg hinauf, der sich unmittelbar hinter der Stadt erhebt und genießen von dort den Blick über Ushuaia und den Beagle-Kanal. Von Ushuaia sind es noch ca. 20 Kilometer bis zum Nationalpark Tierra del Fuego, in dem ein großes Schild verkündet, dass hier die Ruta 3 endet. Von hier aus sind es 3063 km nach Buenos Aires und 17 848 km nach Alaska.
Im Park gibt es mehrere Campingplätze, auf denen man zum Teil sogar kostenlos übernachten kann. Wir richten uns auf dem Camping Laguna Verde häuslich ein, hier wollen wir die Weihnachtsfeiertage sowie Silvester verbringen. Der Nationalpark ist schon seit den 80-er Jahren der Treffpunkt für die Südamerikafahrer. Wer es sich zeitlich einrichten kann, ist zu dem Zeitpunkt im Park “Tierra del Fuego”. Im Laufe der Woche trudeln dann auch nach und nach weitere Reisende ein. Nur ein paar von ihnen haben wir bereits unterwegs einmal getroffen, die meisten sehen wir hier zum ersten Mal. Vom Radfahrer, Motorradfahrer, VW-Bus, Landrover, Landcruiser, Unimog, bis zu Allrad-Wohnmobilen umgebauten Mercedes- und MAN-Lkws ist alles vertreten.
Das traumhafte Wetter vom Tag unserer Ankunft hält nicht lange an. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen warm und kalt, Sonne und Regen, meistens begleitet von einem heftigen Wind. Der guten Laune, die in unserer Gruppe (bestehend aus 3 deutschen und 6 schweizerischen Paaren) herrscht, können äußerliche Unannehmlichkeiten jedoch nichts anhaben. Ab dem späten Vormittag steht man zusammen, tauscht Erfahrungen aus, gibt Infos über bereits bereiste Länder weiter, geht auf die Suche nach Feuerholz oder jemand fährt in die Stadt und bringt für die anderen Lebensmittel mit. Am Abend versammeln wir uns dann am Lagerfeuer und es herrscht jeden Tag eine ausgelassene, fröhliche Stimmung in der Runde. Die Tage sind um diese Jahreszeit lange hell, erst gegen ein Uhr nachts wird es dunkler. Solange es hell ist, will keiner schlafen gehen und so zieht sich das abendliche Zusammensein meist sehr lange hin. Das hat den Vorteil, dass wir auch mal die Sterne aufgehen sehen und es uns endlich gelingt, das Kreuz des Südens zu sehen.
An Heiligabend schießen wir erst einmal mehrere Gruppenfotos zur Erinnerung, dann essen wir zusammen an einer langen Tafel.
Für Silvester wird ein gemeinsames Essen aller Anwesenden (34 Personen) auf dem Campingplatz organisiert. Es gibt zwei Lämmer, die drei Stunden über der Glut gegrillt werden. Während wir an den beiden Tagen zuvor strahlenden Sonnenschein hatten, hält an Silvester das gute Wetter gerade noch solange an, dass wir gemeinsam zu Abend essen können. Dann lässt es uns im Stich und schlägt in Dauerregen um. Eilig wird an einem Unimog eine große Plane gespannt, unter der es dann bis zwölf Uhr weitergeht. Einige trotzen dem Regen und wärmen sich zwischendurch – mit Regenschirm – am Lagerfeuer auf.
In den ersten Tagen des neuen Jahres löst sich das Zusammentreffen bald auf. Jeden Tag verlassen ein oder mehrere Fahrzeuge den Platz und nach drei Wochen fahren auch wir ab.
Wir machen noch einen Abstecher in Richtung Estancia Harberton, der ältesten Schaffarm Feuerlands, die ein englischer Missionar 1886 gegründet hat. Unser Ziel ist jedoch nicht die Farm selbst, sondern deren Umgebung. Die restlichen Traveller, die mit uns im Nationalpark waren, wollen ebenfalls dahin und so treffen wir Sarah und Roger, Gretl und Ernst, Barbara und Andreas, Isabella und Daniel auf einem der dortigen Campingplätze wieder (Camping ist gratis, man benötigt lediglich ein Permit, das man sich auf der Farm besorgt). Der Dauerregen hört im Laufe des frühen Abends auf und wir können die inzwischen schon sehr beliebte deutsch-schweizerische Zusammenkunft am Lagerfeuer fortsetzen.
Am nächsten Tag gehen dann alle getrennte Wege, um die Gegend zu erkunden. Wir fahren auf der Piste durch das Gebiet der Estancia Harberton und der angrenzenden Estancia Moat. Sie befindet sich auf der anderen Seite des Rio Moat, den wir per Fahrzeug nicht überqueren können. Die Brückenpfeiler haben sich vom Hang gelöst und stehen schief im Wasser. Hier kann man nur mehr zu Fuß hinüber gehen. Damit ist für uns Schluß, hier haben wir sogar einen südlicheren Punkt erreicht als Ushuaia bzw. Lapataia (im Park Tierra del Fuego), wo die Nationalstraße Ruta 3 endet. Für uns ist es der südlichste Punkt unserer Weltreise. S 54-88-073, W 66-44-583
Danach fahren wir wieder zurück. Der Weg führt direkt am Ufer des Beagle-Kanal entlang. Der Wind weht – wie meistens – ziemlich heftig aus Richtung des Wassers und daher gibt es hier mehrere besonders schiefe Exemplare der windzerzausten Bäume, denen man anhand ihrer Schräglage ansieht, woher der Wind ständig weht. Es gibt hier noch sehr viel Wald und von dem sonst oft üblichen Kahlschlag ist nichts zu sehen. Die Hügel sind bis zur Spitze hinauf bewaldet. Uns gefällt die Gegend viel besser als der Nationalpark. Hier finden wir endlich auch das schon so oft auf Fotos gesehene pan de indio, Indianerbrot. Dabei handelt es sich um die Früchte des Darwinpilzes, dessen Fadengeflecht im Holz ein Wachstum auslöst, das zu geschwulstartigen Auswüchsen an Bäumen führt. Die Feuerlandindiander haben diese orangefarbenen, tischtennisballgrossen Früchte gegessen, um damit ihren Durst zu löschen. Auf dem Waldboden finden wir unzählige abgefallene Bällchen, die vertrocknet sind und mit ihren vielen kleinen Löchern an Schwämme erinnern. Wir pflücken auch ein paar der noch intakten Früchte, um sie am Abend den anderen zu zeigen. Isabella geht dabei soweit, dass sie es nicht beim Anschauen belässt. Unter unseren ungläubigen Blicken verschluckt sie eine der Kugeln, die sie relativ geschmacklos findet. Obwohl wir davon ausgehen, dass sie essbar sind, sind wir am anderen Morgen doch froh, dass es ihr nicht geschadet hat.
Auch hier – wie bereits im Nationalpark – sehen wir wieder die Schäden, die von Bibern angerichtet werden. Die Biber stauen Wasserläufe auf und die dadurch verursachte Überschwemmung der Wiesen führt zu einem Absterben der Bäume. Zum Bau ihrer Dämme und Bauten benötigen sie außerdem viel Material und dazu fällen sie unzählige Bäume. Die Tiere waren auf Feuerland ursprünglich nicht beheimatet, sondern wurden dort irgendwann ausgesetzt. Weil es ihnen an natürlichen Feinden fehlt, konnten sie sich gut vermehren.
Trotz der negativen Aspekte finden wir Biber interessant und sind begeistert, wenn wir welche sehen. Bereits im Nationalpark hatten wir das Glück, dass nicht weit vom Campingplatz entfernt ein Biberbau war. Dort konnte Klaus bereits mehrmals Biber filmen.
Als wir nun langsam auf der Piste dahinfahren, sehen wir plötzlich einen Biber am Straßenrand laufen. Wir sind völlig verblüfft von diesem Anblick und bis Klaus zur Kamera greift, hat sich das Tier durch das Motorengeräusch so erschreckt, dass es umdreht und den Weg wieder zurückläuft. Wir beobachten, wie es im Wasser verschwindet und sehen dabei auch, dass der Bau nicht weit entfernt ist. Am anderen Tag kommen wir wieder her und dieses Mal sehen wir sogar beide Biber, wie sie hin und her schwimmen und kleine Zweige in den Bau hineinbringen.
Mit dem Beobachten der Tiere verbringen wir den Nachmittag und zum Übernachten fahren wir dieses Mal an eine andere Stelle des Beagle-Kanals. Gegenüber den wenigen Häusern Puerto Almanzas befindet sich das chilenische Puerto Williams. Es ist zwar die südlichste, ständig bewohnte Siedlung der Welt, aber eben nur ein Militärstützpunkt (auf der Insel Navarino) und hat nicht – wie Ushuaia – den Status einer Stadt.
Wir haben uns von den Schweizern und Deutschen bereits schon mehrmals verabschiedet, doch auf dem Weg zurück aufs Festland treffen wir uns immer wieder. Erst an der argentinisch-chilenischen Grenze und dann setzen wir auch gemeinsam mit der Fähre über die Magellanstraße über. Auf dem kurzen Weg zwischen den beiden Ufern wird das Schiff von einem Schwarm kleiner, schwarz-weißer Delfine begleitet. Sie schießen über die Wellen, tauchen unter dem Boot hindurch und springen immer wieder aus dem Wasser heraus. Einfach ein toller Anblick, mit welch einer Leichtigkeit sich die Tiere bewegen.
Nach Erreichen des Festlandes verabschieden wir uns endgültig von Gretl und Ernst sowie Barbara und Andreas, die in Chile bleiben wollen. Mit Isa und Dani fahren wir zur chilenisch-argentinischen Grenze und dann weiter nach Rio Gallegos. Sie haben einen Kupplungsschaden am Toyota Landcruiser, den sie dort reparieren lassen wollen. An der Werkstatt trennen wir uns dann auch von ihnen.
Für uns geht es weiter, wieder einmal durch die Pampa, zu unserem nächsten Ziel, dem Mt. Fitz Roy.
Über Esperanza fahren wir zur Ruta 40, von der am Lago Viedma die Zufahrt nach El Chaltén abzweigt. Der Zustand dieser Piste ist erbärmlich schlecht. Wellblech und Schlaglöcher machen das Fahren zur Tortur. Wie blanker Hohn erscheinen uns die Schilder für die Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h. Mit kaum mehr als 30 Sachen quälen wir uns dahin, alles rattert und vibriert. Durch das Geholper blockiert fast ständig der Sicherheitsgurt und preßt uns immer wieder in die Sitze. Musik hören ist aufgrund des Lärmpegels nicht mehr möglich und so ertragen wir schweigend die Fahrerei. Wenigstens entschädigt uns die Landschaft einigermaßen. Der türkisfarbene Lago Viedma liegt im strahlenden Sonnenschein zu unserer Linken, umgeben von Bergen. Nur den Fitz Roy suchen wir vergebens. Wir vermuten ihn dort, wo die Wolken einen Teil der Berge verdecken. Vor dem Ort El Chaltén gibt es einen kostenlosen Campingplatz, auf dem wir bleiben. Am nächsten Morgen wacht Klaus glücklicherweise berei ts um sechs Uhr auf, gerade als die ersten Sonnenstrahlen auf die Berggipfel treffen. Wir öffnen den Dachausstieg über dem Bett und genießen den Sonnenaufgang. Die Sonne verleiht den Felswänden eine fast unnatürlich rote Farbe, die sich langsam von den Spitzen abwärts zieht. Die Schneereste auf den Bergen schimmern rosa, während die vordersten Hügel, die nicht vom Licht erfasst werden, fast schwarz erscheinen. Je höher die Sonne steigt, umso mehr verblassen die Farben, bis die Felsen wieder ihren Naturton haben.
Der Tag hält leider nicht, was der herrliche Sonnenaufgang versprochen hat. Es ist ausgesprochen ungemütlich und als wir nachmittags einen Spaziergang durch das kleine Dorf (ca. 100 Einwohner) machen, bläst uns ein eiskalter Wind entgegen.
Um den Sonnenaufgang nochmal zu sehen, stellen wir uns tags darauf den Wecker. Doch ein paar Wolken verhindern, dass die Sonne durchkommt und wir sind umsonst so früh aufgestanden. Dafür wird es tagsüber schön und so warm, dass wir nachmittags, als wir von einem Ausflug zum Lago del Desierto zurückkommen, nur mehr T-Shirt und kurze Hose brauchen.
Am Tag der Abfahrt stehen wir erneut früh auf und kommen noch einmal auf unsere Kosten. Wieder bietet sich uns ein herrliches Naturschauspiel in intensiven Rottönen.
Den ganzen Weg zurück bis zur Ruta 40 sehen wir an diesem Tag – entweder im Rückspiegel oder bei kurzen Stopps – den Fitz Roy.
Zwei Tage später sind wir bei der cueva de las manos (“Höhle der Hände”). Diese Sehenswürdigkeit befindet sich oberhalb der Schlucht des Río Pínturas und ist ein Überbleibsel der indianischen Ureinwohner.
Unterhalb von mehreren Felsüberhängen haben sie Zeichnungen von Tieren, Jagdszenen sowie geometrischen Mustern hinterlassen. Am interessantesten für uns sind jedoch die farbigen Hand-Abdrücke, nach denen die Höhle benannt wurde und bei denen Abdrücke der linken Hand überwiegen. Die Farben wirken an manchen Stellen so frisch, als hätte man sie gerade erst aufgetragen. Dabei wird ihre Entstehung auf etwa 1500 v.Chr. datiert.
Über den Paso Rudolfo Raballos überqueren wir die Grenze und fahren – wieder einmal – nach Chile.