Wir haben das Gefühl, dass die Beamten nicht oft Gelegenheit haben, Touristen abzufertigen und für eine Abwechslung in ihrer Einöde dankbar sind. Nur so ist es zu erklären, dass wir eine geschlagene Stunde für die Formalitäten brauchen. Die Dienstauffassung der Männer entspricht jedenfalls nicht ihrer saloppen Kleidung (statt Uniform trägt hier jeder einen Jogginganzug).

In dem Einreisepapier für das Fahrzeug ist viel leerer Platz, den es zu füllen gilt und das bringt den Mann auf den Gedanken, er müßte die Seriennummern von Videokameras und Fotoapparaten aufführen. Klaus schleppt die Geräte an und gewissenhaft notiert er Stück für Stück. Dann ist noch das Trike an der Reihe, schließlich hat auch der Motor eine Nummer. Ob es der zu Ende gehende Platz ist oder ob er den Kampf mit der Schreibmaschine aufgibt, deren Farbband sich immer wieder verhakt, können wir nicht ergründen. Plötzlich ist Schluss mit dem Ausfüllen. Wir bekommen von jemand anderem einen Stempel in den Paß, die Besichtigung des Unimogs beschränkt sich auf einen kurzen Blick ins Innere, „muy bonito“ (= sehr schön) und dann dürfen wir endlich fahren.

Die Piste verschlechtert sich, es gibt viel Wellblech, dem wir nicht ausweichen können. Eigentlich hatten wir erwartet, dass es nun mal bergab gehen würde. Doch es geht ständig bergauf. Mittags sind wir auf 4475 m angekommen, als wir – zum zweiten Mal – das Pfeifen hören, das uns einen platten Reifen ankündigt. Dieses Mal vorne rechts. Wieder verschieben wir den Gedanken an Mittagessen und bocken den Unimog auf. Wir sind froh, dass wir schon so an die Höhe gewöhnt sind, dass uns das Arbeiten nicht weiter schwer fällt. Nur bei heftigen Bewegungen, einem schnellen Aufstehen zum Beispiel, schnappen wir einen Moment nach Luft. Anstatt das Loch zu flicken, ziehen wir einen neuen Schlauch ein. Nach zwei Stunden sind wir fertig und haben uns unser Mittagessen redlich verdient.

Eineinhalb Stunden später erreichen wir den einzig größeren Ort auf der Strecke bis Salta. Am Ortsende von San Antonio de los Cobres gibt es einen Reifenflicker, bei dem wir den Schlauch heiß vulkanisieren lassen.

Von San Antonio geht es ständig bergab. Die Straße windet sich serpentinenreich durch die Felsen. Für eine Weile gibt es links und rechts Kakteen zu sehen, ein Schäfer treibt eine gemischte Herde aus Lamas, Schafen und Ziegen vor sich her. Die Vegetation wird üppiger, alles ist dicht und grün, es wachsen Bäume und die Luftfeuchtigkeit steigt merklich an. Nach den langen Wochen in der extrem trockenen Atacama-Wüste haben wir das Gefühl, in ein Treibhaus zu kommen.

In Salta (1200 m ü.M.) verbringen wir einige Tage und übernachten dazu auf dem städtischen Campingplatz. Die Bushaltestelle ist direkt davor und innerhalb einer Viertelstunde sind wir in der Innenstadt. Wir sind schon sehr, wie sich der Umtauschkurs Peso – Dollar entwickelt hat. In der Wechselstube geben sie uns 2,70 Pesos für den Dollar (Travellerschecks werden nicht angenommen, nur Bargeld), das bedeutet, der Peso ist weiter gefallen. Die Preise sind zwar bei Lebensmitteln und Benzin leicht gestiegen, doch durch den – für uns sehr guten – Kurs ist es insgesamt trotzdem billiger geworden. Ein gutes Beispiel ist dafür unsere Autoversicherung, die wir um ein halbes Jahr verlängern. In Pesos kostet sie jetzt zwar mehr. Doch die 413,– Pesos sind nur noch 153,–USDollar, die 357,– Pesos im November dagegen waren noch 357,– US Dollar!

Bei unseren Spaziergängen kommen wir natürlich auch an den Sehenswürdigkeiten vorbei, der riesigen gelben Kathedrale, wobei zufälligerweise an dem Abend mehrere Männer (mit Ohrenschützern) abwechselnd die Glocken läuten sowie an der auffälligen Kirche St. Franziskus mit ihrer dunkelrot-gelb gestrichenen Fassade, ihren völlig überladen wirkenden Verzierungen und dem angeblich höchsten Glockenturm Südamerikas. Wir essen eine Kleinigkeit in der Markthalle, umgeben von den Metzgerständen, an denen die Innereien hängen und nicht immer den besten Duft verbreiten. Als einzige Besucher schlendern wir durch die Räume des Mercado Artesanal, der in einer ehemaligen Mühle untergebracht ist. Hier gibt es Kleidung aus Lama- und Alpaka-Wolle, Holzmasken und viele andere Souvenirs.

Mit der Seilbahn fahren wir auf den Cerro Bernardo. Von oben sehen wir erst richtig die riesigen Dimensionen, die Salta hat. In dem kleinen Bereich der Innenstadt, in dem wir uns bewegen, haben wir gar nicht das Gefühl, eigentlich in einer Großstadt zu sein.

Von Salta aus fahren wir nordöstlich in Richtung Bolivien. Die Teerstraße ist in einem sehr guten Zustand und wir kommen schnell voran. Es geht durch endlose Zuckerrohrfelder, Obstanbaugebiete, Bananenplantagen. Das Klima ist subtropisch mit 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, Temperaturen von über 30 Grad und Windstille. Dicke Wolken hängen am Himmel, die zwar nach Regen aussehen, sich aber nicht entladen. Auch am Abend bleibt es drückend schwül und die Wirkung der kalten Dusche hält nicht lange an.

Um über die Grenze zu gehen, haben wir uns den östlichsten Übergang bei Yacuiba ausgesucht. Er wird von Touristen wenig frequentiert, von den Einheimischen dagegen umso mehr. Besonders die Bolivianer schleppen auf dem Rücken schwere Lasten über die Grenze. Schätzungsweise bis zu 30 oder 40 Kilos dürfte sich da manche Frau bzw. mancher Mann umgebunden haben. Manchmal können wir einen Teil davon in ihren bunten Tüchern erkennen: Mehl, Milchpulver, Rotwein, Reis, Zement, Mate-Tee, Elektrogeräte.

Die Grenze unterscheidet sich vollkommen von den bisherigen. Erst einmal befindet sie sich mitten in der Stadt, dann ziehen sich auf beiden Seiten Essens- und Verkaufsstände dahin, die eigentlich zweispurige Straße wird stellenweise auf eine Spur verschmälert, es ist ein ständiges Hin und Her, am Straßenrand sammeln sich Abfälle und Dreck, die in der Hitze ihre Gerüche entwickeln.

Die Abfertigung selbst ist einfach, die Argentinier interessieren sich überhaupt nicht für die von ihrem Kollegen so mühsam eingetippten Nummern unserer Filmausrüstung. Sie stempeln Pässe und Autopapiere, dann winken sie uns durch.