Diesen Grenzübergang haben wir vor acht Jahren bereits einmal überquert und hatten ihn als sehr chaotisch in Erinnerung. Doch jetzt ist das unmittelbare Gebiet um die Grenzgebäude mit einem hohen Zaun und Soldaten abgesperrt und es dürfen nur die Personen und Fahrzeuge herein, die auch tatsächlich die Grenze passieren wollen. Fliegende Händler, Fußgänger und einheimische Autos, die das Ganze so unübersichtlich gemacht hatten, müssen draußen bleiben.
Die Ausreise aus Guatemala ist in fünf Minuten erledigt. Die Einreise nach Mexiko beschränkt sich hier auf eine Desinfektion des Fahrzeugs sowie eine Kontrolle, ob wir Fleisch, Gemüse und Obst dabei haben. Der Zoll will das Auto nicht sehen. Die Migracion und das Ausstellen der Fahrzeugpapiere wird erst drei Kilometer weiter an einem separaten mexikanischen Grenzposten erledigt.
Wir sind jetzt im Bundesstaat Chiapas und fahren als erstes nach San Cristobal de las Casas.
Die Stadt ist eine Touristenhochburg, obwohl sie bis auf wenige Kirchen kaum Sehenswürdigkeiten besitzt. Aber die Lage inmitten der Berge, die bunten Kolonialhäuser, das frische Klima und der farbenfrohe Souvenirmarkt an der Kirche Santo Domingo schaffen eine angenehme Atmosphäre. Es ist bereits unser dritter Aufenthalt in der Stadt und wir stellen fest, dass uns vieles noch sehr vertraut ist. Vor allem die Hartnäckigkeit der unzähligen Mädchen und Frauen, die rund um den Zocalo ihre Handarbeiten verkaufen, Touristen dabei regelrecht verfolgen und das Wort “No” komplett ignorieren.
Von San Cristobal aus fahren wir durch schöne Berglandschaft bis fast an die Küste hinunter und dann wieder hinauf ins Hochland, weiter Richtung Oaxaca. Bevor wir dort ankommen, legen wir einen kurzen Stopp ein und besichtigen eine Mezcal-Brennerei. In der trockenen Landschaft gedeihen die Agaven, aus denen dieser Schnaps gebrannt wird.
Wir bekommen alles erklärt, vom Kochen der geernteten Agaven bis zum Ansetzen der Maische und dem endgültigen Destillieren. Das Ergebnis der Arbeit ist ein klarer, scharfer Schnaps, den wir dann auch noch probieren dürfen – um 9 Uhr vormittags! Er kratzt im Hals, schmeckt wie geräuchert und brennt dann noch bis hinunter in den Magen – eindeutig nicht unser Geschmack. Doch er ist überaus beliebt bei den Einheimischen und in kleinen Mengen genossen gilt er sowohl vorbeugend als auch als Heilmittel gegen alle möglichen Leiden. So gestärkt fahren wir weiter nach Oaxaca.
Es ist Ende Oktober und wir wollen uns hier die “Días de los Muertos”, die “Totentage” anschauen. Damit wird die Zeit vom 31.10. bis 02.11. bezeichnet. Besonders im Hochland wird hier gefeiert, denn die Mexikaner sind überzeugt davon, dass während diesen Tagen die Seelen der Verstorbenen zurückkehren. Anders als bei uns gedenkt man der Toten aber nicht mit distanzierter Ehrfurcht und Trauer, sondern mit Fröhlichkeit, Musik und speziellen Bräuchen.
In den Geschäften und Restaurants tauchen überall Skelette als Dekoration auf. Für die Toten werden spezielle Altare reich geschmückt mit Süßigkeiten, Obst, speziellem Pan de Muerto (Totenbrot), Totenköpfen aus Zuckerguss und Unmengen an Blumen.
In der Stadt gibt es Theaterstücke, Tanzveranstaltungen und Ausstellungen. Einer der Höhepunkte ist der nächtliche Umzug vom Hauptplatz der Stadt hinaus zum Friedhof. Anführer des Ganzen sind Kunst-Studenten in phantastischen Kostümen, gefolgt von Hunderten von Zuschauern, die unter lauter Musik den ganzen Weg tanzend und singend zurücklegen. Auf dem Friedhof sind die Gräber und Nischen mit Kerzen geschmückt und dort wird dann Theater gespielt. So etwas ist für uns völlig neu, schließlich kennen wir von Friedhöfen nur Trauer und Stille – fröhliche Musik, Tanz oder sogar ein Bier auf dem Friedhof sind in Deutschland wirklich unvorstellbar. Hier allerdings passt es und wirkt völlig natürlich.
Tagsüber und auch in den Nächten ist es üblich, dass die Familien zu den Gräbern kommen und dort die ganze Nacht sitzen, essen, trinken und dadurch sozusagen mit den Seelen ihrer Verwandten feiern.
Allerheiligen und Allerseelen in Deutschland und die “Días de los Muertos” in Mexiko – ein größerer Gegensatz beim Feiern bzw. Begehen dieser Tage ist kaum vorstellbar!
Bevor wir Oaxaca verlassen, besichtigen wir noch die Ruinen von Monte Albán. Es handelt sich dabei um die größte Stätte der Zapoteken, die hier zwischen 500 v.Chr. und 750 n.Chr. herrschten, bevor sie die Anlage aus unbekannten Gründen verließen.
Es sind wieder einmal Fahrtage angesagt, denn wir wollen zur Yucatán-Halbinsel. Dort schauen wir uns einige Maya-Stätten an. Darunter so berühmte wie Uxmal und Chichén Itzá, die wir bei unserer Mexiko-Reise vor acht Jahren schon gesehen haben. Aber auch weniger bekannte wie Sayil, Labná und Kabáh, deren Besuch ganz besonders lohnenswert ist, denn man hat die Anlage meist für sich allein.
El Palacio, Sayil
Arco de Labná
El Palacio, Kabáh
Uxmal
Chichén Itzá
Auch bei Uxmal und Chichén Itzá, wo normalerweise Tausende von Besuchern durch die Anlagen strömen, sind wir morgens die erste Zeit fast ganz allein. Bedingt durch den Hurrikan “Wilma”, der vor einigen Wochen über die Touristenhochburg Cancún hinwegfegte und die Hotels zerstörte, bleiben derzeit die Touristen aus.
Nach so viel Kultur in den letzten Tagen brauchen wir dringend Abwechslung und da kommt uns die nahe gelegene Karibikküste gerade recht. Wir füllen unsere Essens- und Biervorräte auf und machen uns auf die Suche nach einem schönen Strand.
Wir fahren auf der mautfreien MEX 180 von Mérida Richtung Cancún. Etwa 50 Kilometer sind es noch bis dahin, als mehrere Schilder auf eine Straßensperre hinweisen. Schon von weitem sehen wir das Wasser auf der Straße stehen, links und rechts sind Häuser überschwemmt.
Wir fahren durchs Wasser, es geht noch bis zum Ortsende, doch dann ist Schluss. Ein Mexikaner bedeutet uns, dass wir ihm folgen sollen und über einen Feldweg fahren wir ihm hinterher auf die gut ausgebaute, mautpflichtige Straße MEX 180 D. Sie wird zwar an mehreren Stellen gerade repariert, ist aber wenigstens befahrbar. Auch den Bäumen und Büschen sieht man die Auswirkungen des Hurrikans an. Sie sehen zerzaust aus, das Laub fehlt und oft liegen sie kreuz und quer durcheinander. Wir fahren nicht nach Cancún hinein, sondern biegen schon vorher auf die Küstenstraße Richtung Süden ab. Entlang der Straße wird viel gearbeitet, die Schäden sind unübersehbar: Stromleitungen hängen durch, Häuser sind abgedeckt oder zerstört, an allen Pemex-Tankstellen fehlen die Überdachungen, große Werbeschilder sind verbogen bzw. umgefallen, außerhalb der Städte gibt es noch keine Telefonverbindungen.
Wir kommen zu einem großen Trailerpark mit den großen, typischen nordamerikanischen Wohnmobilen. Es ist ein beliebter Platz bei Amerikanern und Kanadiern zum Überwintern. Auch hier sehen wir noch viele Zerstörungen. Doch das liegt nicht nur an “Wilma”, sondern auch an “Emily”, einem der vorangegangenen Wirbelstürme, der bereits im Juli hier durchgezogen ist und einiges vernichtet hat.
Etwas weiter südlich finden wir dann eine wunderschöne Bucht, wo es kleine Campingplätze gibt. Dort verbringen wir dann äußerst angenehme Tage. Wir gehen schwimmen, schnorcheln bei den Korallenbänken, die nur etwa 20 Meter vom Ufer entfernt sind und machen lange Spaziergänge an dem feinen weißen Korallenstrand.
Wie immer an den besonders schönen Plätzen vergeht die Zeit wie im Flug und der Abschied von unseren netten Campingnachbarn fällt uns schwer. Wir hatten viel Spaß zusammen, jeden Nachmittag trafen wir uns zur Happy Hour in geselliger Runde und freitags ging es zusammen zum Pizza essen. Die meisten bleiben hier gleich einige Monate. Sie kommen aus Kanada, USA und Deutschland zum Überwintern her. Unsere direkte Nachbarin kommt schon seit 30 Jahren nach Mexiko und seit ihr Mann gestorben ist fährt sie allein im Wohnmobil die lange Strecke von Ohio herunter – und das im hohen Alter von 86 Jahren.
Für uns geht es weiter südlich bis zur Lagune Bachalar, dann quer durch Yucatan und nach Palenque auf den Campingplatz. Es ist feucht und heiß hier im Regenwald und die Besichtigung der Ruinen ist schon mehr Pflichterfüllung als Vergnügen.
Bei unserer ersten Mexiko-Reise waren wir schon einmal hier und wir haben das Gefühl, als ob der Verfall der Ruinen seitdem vorangeschritten ist. Der Zahn der Zeit und die feuchte Witterung setzen den Steinen ganz schön zu.
Wie schon in den anderen Ruinen, säumen auch hier die Souvenirhändler mit ihren Ständen die Wege in der Anlage. Ein unbeschwertes Besichtigen ist kaum möglich, jeder will etwas verkaufen und wir werden ständig angesprochen.
Auch in Agua Azul, den bekannten Wasserfällen, hat sich einiges verändert. Es hat sich zu einem sehr beliebten Ausflugsziel herausgemacht und die großen Reisebusse laden im Stundentakt Touristen ab. Immerhin gibt es noch eine gute Möglichkeit zum Campen, weshalb wir einige Tage bleiben. Doch es ist fast unmöglich, ungestört draußen zu sitzen. Alle paar Minuten kommen Frauen und Mädchen vorbei, die uns etwas verkaufen wollen. Weil es immer die gleichen sind, kennen sie uns zwar im Laufe der Tage, doch sie wollen uns einfach nicht glauben, dass wir ihnen nichts abkaufen, auch wenn wir es ihnen täglich ein dutzend Mal sagen. Hier fällt uns der Abschied nicht schwer.
Über San Cristóbal de las Casas, wo wir noch einmal einen kurzen Stopp einlegen, fahren wir dann weiter auf der Autobahn in Richtung Norden. Die Mautgebühren sind zwar nicht gerade billig, aber wenigstens kommen wir so schneller voran und entgehen dadurch auch den in Mexiko allgegenwärtigen “Topes”. Das sind Schwellen bzw. Querrillen auf der Straße, die die Autofahrer zum Abbremsen zwingen. Beim Fahrstil der mexikanischen Autofahrer haben sie – leider – ihre Berechtigung. Es ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, um sie zu einem, wenigstens gelegentlich, langsameren Fahren zu zwingen. Die “Topes” sind landesweit wirklich großzügig und verschwenderisch angebracht und wir haben schon bis zu 40 Stück auf etwa 500 m gezählt. Minimum am Ortsanfang und -ende, natürlich vor und nach Schulen, und dazwischen noch ein paar aus welchen Gründen auch immer. Ein ständiges Bremsen und Anfahren. Und wenn wir auf normalen Landstraßen unterwegs sind, kostet uns das manches Mal Nerven. Im Großen und Ganzen wird zwar auf jeden Buckel hingewiesen, aber eben nicht immer. Und im Schatten kann es dann schon mal passieren, dass wir einen zu spät sehen und die 8 Tonnen des Unimogs ziemlich unsanft auf die Erhebung knallen. Ganz entgehen wir natürlich den “Topes” auch nicht auf der Autobahn. Aber da beschränken sie sich auf die Anfahrt an die Mautstelle. Aufgrund der hohen Gebühren sind die Autobahnen nur wenig befahren und so ist die Fahrt darauf ziemlich stressfrei.
Wir kommen an Puebla vorbei und bei klarem Wetter haben wir beste Sicht auf die beiden Vulkane Popocatépetl (rauchender Berg) und Iztaccíhuatl (schlafende Frau). Der Popocatépetl macht seinem Namen alle Ehre und stößt gelegentlich kleine Wolken aus und dass die Form seines Nachbarn tatsächlich einer liegenden Frau ähnelt, können wir aus diesem Blickwinkel und mit viel Fantasie auch erkennen.
Wir wollen zwar Mexiko-Stadt besichtigen, aber natürlich nicht direkt hinein in den 20-Millionen-Moloch. Schließlich können wir uns noch gut daran erinnern, wie wir vor 8 Jahren quer durch gefahren sind. Das reicht uns. Deshalb umfahren wir die Stadt sehr weiträumig, um auf einen Campingplatz zu kommen. Die Strecke, die wir dazu wählen, gefällt uns gut und erlaubt uns noch einige Zeit einen Blick auf die beiden Vulkane.
Nach Mexiko-Stadt selbst fahren wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln und schauen gleich einmal vom Torre Latinoamericana auf das unglaubliche Häusermeer einschließlich des Smogs, der die Stadt umgibt.
Wir machen außerdem eine Stadtrundfahrt mit dem “Turibus”, der uns auch in andere Stadtviertel bringt, die wir noch nicht kennen. Eine ideale Gelegenheit, um sich für gerade mal 8,50 Euro 3 Stunden lang herumfahren zu lassen. Ansonsten schauen wir uns noch ein paar Sehenswürdigkeiten an und lassen uns mit dem Strom der Passanten durch die Straßen treiben, die auch hier eifrig beim Einkaufen der Weihnachtsgeschenke sind.
Außerdem steht eine letzte Ausgrabungsstätte auf dem Besichtigungsprogramm. Wir waren noch nie in Teotihuacán und deshalb schauen wir uns dieses Mal die riesige Anlage mit ihren beeindruckenden Pyramiden an.
Wir gehen entlang der “Straße der Toten”, die 2 Kilometer lang ist, steigen auf alle drei Pyramiden und schlängeln uns durch die überall anwesenden Souvenirverkäufer. Sie wollen uns überzeugen, dass der Kauf von Flöte, Schnitzerei, Sombrero, Bettdecke, Totenmaske, Pfeil und Bogen, Anhänger und noch viel mehr unbedingt zum Besuch dazugehört. Als es uns dann doch einmal zuviel wird und wir einen Mann fragen, ob das hier eigentlich ein Markt oder eine archäologische Stätte sei, ist seine Antwort, dass wir ja nicht herkommen müssen, wenn uns das nicht gefällt. Anscheinend sind wir die einzigen, die sich an dem Rummel stören. Den Mexikanern jedenfalls ist das Interesse an den Einkäufen mindestens so wichtig wie die Kultur selbst.
Generell ist uns schon mehrmals aufgefallen, dass sich in den vergangenen Jahren manches in Mexiko zum Negativen verändert hat und in den Touristenhochburgen werden wir das Gefühl nicht los, dass die Einheimischen die Besucher als wandelnde Geldbörse betrachten, aus der man möglichst viel herauspressen muss. Und immer wieder kommt es vor, dass wir erst durch Nachzählen und Nachfragen das korrekte Wechselgeld herausbekommen – ein “Versehen”, für das sich aber noch nie jemand entschuldigt hat.
Sind wir dagegen in “gewöhnlichen” Orten unterwegs, abseits der riesigen Menschenmassen, sieht das Ganze schon viel besser aus. Die Leute sind dann viel freundlicher und wesentlich höflicher.
Frohe Weihnachten, Feliz Navidad.
Während wir uns auf den Weg in Richtung Norden machen, kommen uns unzählige Autos entgegen, die entweder us-amerikanische Kennzeichen haben oder auf mexikanische Bundesstaaten im Norden hinweisen. Die Autos sind bis oben hin voll gepackt und beim Halten steigen oft so viele Personen aus, dass wir uns wundern, wie sie überhaupt noch Platz finden neben dem ganzen Gepäck. Es sind Mexikaner, die auf dem Weg zu ihren weiter südlich lebenden Familien bzw. Verwandten sind, um dort die Weihnachtsfeiertage zu verbringen.
Wir haben uns dazu entschlossen, dem ganzen Trubel zu entgehen und überqueren noch Heiligabend die Grenze nach Texas und reisen in die USA ein.