Wir gehen in El Paso über die Grenze. Von Mexiko kommend staut sich
kilometerlang der Verkehr und bei der Migracion stehen unzählige Mexikaner, die
auf die Einreiseprozedur in die USA warten.
Da haben wir es in Ciudad Juarez auf der mexikanischen Seite schon leichter. Wir füllen ein Einreisepapier aus und bekommen die Pässe gestempelt. Auto- und Motorradpapiere gibt es am Schalter nebenan und dann können wir weiterfahren.
Wir fahren Richtung Chihuahua und dann weiter nach Ciudad Cuauhtémoc. In dieser Gegend leben an die 54.000 deutschstämmige Mennoniten.
Wir schauen uns das Mennoniten-Museum an, das innen wie ein ehemaliges Wohnhaus aufgebaut ist mit vollständig eingerichteten Wohnräumen (die wir leider nicht fotografieren dürfen). Im “Kuhstall” sind alte Butterfässer und Waschmaschinen zu sehen und im “Pferdestall” alte Kutschen und landwirtschaftliche Geräte. Nur außen darf man fotografieren, wo alte Traktoren aus den dreißiger Jahren stehen.
Wir besuchen außerdem eine Käserei, in der es neben Käse auch Milch und Wurst gibt.
Die deutschstämmigen Mennoniten hier sind von Kanada aus eingewandert. Sie haben sich 1920 von der mexikanischen Regierung das wirklich karge Land gekauft und sich in kleinen “Campos” (kleinen Siedlungen) angesiedelt. Ein Teil von ihnen bewahrt sich einerseits zwar seine ursprüngliche Lebensart, ist aber inzwischen dem Fortschritt einigermaßen aufgeschlossen. Andererseits gibt es sehr traditionell lebende Gruppen, die das missbilligen und so bleiben Spannungen in der Gemeinschaft nicht aus. Im Vergleich zu den Mennoniten in Filadelfia/Paraguay sehen wir hier, bis auf wenige Ausnahmen, fast nur traditionell gekleidete Frauen in langärmligen Blümchenkleidern mit schwarzem Häubchen auf dem Kopf.
Wenn wir im Supermarkt einkaufen werden wir von den Leuten regelrecht angestarrt. Man ist hier nur Amerikaner gewöhnt, denn auf den Campingplatz kommen geführte amerikanischen Gruppen in ihren großen Wohnmobilen, aber Deutsche verirren sich nur selten hierher. Und so sind wir hier eine Sensation.
Die Leute sprechen hier immer noch plattdeutsch. Hochdeutsch wird zwar in der Schule unterrichtet, aber nur wenig gesprochen. Und so kommen wir mit Deutsch kaum weiter, die meiste Zeit verständigen wir uns leichter auf spanisch.
Von Cuauhtémoc aus geht es für uns weiter auf guter Teerstraße in die Sierra Tarahumara (Sierra Madre Occidental) nach Creel. Das ist eine kleine Stadt an der Bahnlinie des “Chepe”, die fast ausschließlich von Touristen lebt. Der “Chepe” ist der berühmteste Zug in Mexiko. Er verkehrt zwischen Chihuahua und Los Mochis und verbindet die Pazifikküste mit dem Hochland. Sein Verlauf geht durch den Kupfercanyon und der Bau der Bahnlinie ist eine Meisterleistung des 19. und 20. Jahrhunderts. Der eigentliche Baubeginn in Chihuahua war 1881, im Jahr 1907 wurde dann Creel erreicht. Danach ruhte das Projekt aufgrund finanzieller Probleme und der mexikanischen Revolution. Ab 1938 begann dann der Bau einer Trasse durch die Berge der Sierra Tarahumara, die sich 2000 m tief hinunter zur Küste schlängelte. Ab 1961 war dann die gesamte Bahnstrecke befahrbar. Heute gehört die Bahnfahrt zu einer der spektakulärsten überhaupt. Es gibt täglich insgesamt nur 4 Personenzüge auf der Strecke. Morgens verlassen zuerst der 1.Klasse Zug und ein bis eineinhalb Stunden später der 2. Klasse Zug die jeweiligen Endbahnhöfe Chihuahua bzw. Los Mochis und begegnen sich irgendwo auf der Strecke. Dazwischen fahren noch ein oder zwei Güterzüge.
Es sind gerade Osterferien und da ist besonders viel los. Wir beschließen deshalb, die geplante Zugfahrt auf die Zeit nach den Ferien zu verschieben. Erst einmal schauen wir uns die Gegend an und besuchen die Ostertänze der Rarámuri in San Ignacio.
Die Rarámuri sind eine indigene Minderheit, die in den Bergen der Sierra Tarahumara lebt. Ihre Osterzeremonien sind eine Mischung aus katholischen Bräuchen und Zeremonien ihrer ursprünglichen Naturreligion.
Nach dem Osterwochenende wird es ruhiger, die meisten Mexikaner verlassen die Gegend wieder. Die Umgebung von Creel ist gerade bei Motorrad- und Jeep-Fahrern sehr beliebt, weil sie gute Möglichkeiten fürs Off-Road-Fahren bietet.
Wir lassen den Unimog auf dem Campingplatz und machen von Creel aus die Zugfahrt hinunter ins Tiefland nach El Fuerte. Das bedeutet von 2245 m Höhe hinunter auf 95 m üNN. Mittags geht es los. Wir nehmen den 2. Klasse Zug, der länger unterwegs ist als der 1. Klasse, weil er zwischendurch noch an kleinen Bahnhöfen oder Stationen hält, um Einheimische zusteigen zu lassen. Er ist oft die einzige Verbindung in weit abgelegene Dörfer.
Der einzige längere Aufenthalt (15 Minuten) ist in Divisadero. Das ist ein kleiner Bahnhof mit Essensständen. Und vom Aussichtspunkt hat man einen tollen Blick in die 1200 m tiefe Schlucht des Río Urique.
Von Creel aus kann man Divisadero auch per Straße erreichen und das haben wir ein paar Tage vorher mit dem Motorrad gemacht, um uns das Ganze in Ruhe anzuschauen.
Danach geht die Zugfahrt weiter mit gelegentlichen Stopps an Bahnhöfen und Haltepunkten, wenn jemand zu- oder aussteigen will. Die Landschaft verändert sich kaum. Es geht durch Berge hindurch, aber es gibt nur wenig Ausblicke in Schluchten. Am Anfang haben wir noch Nadelwälder, doch je weiter wir herunter kommen, um so trockener wird die Gegend. Lange Zeit fahren wir mit Blick auf ein Flussbett, in dem nur wenig Wasser ist. Wir sehen Agaven mit meterhohen Blütenständen, später viele Kakteen. Es geht über mehrere Brücken (insgesamt gibt es 37 Stück) sowie durch kürzere und längere Tunnel (insgesamt 87 Stück). Der Zug schaukelt und wackelt, alles ist ständig in Bewegung. Essen und Trinken lassen sich damit zwar ganz gut vereinbaren, aber die Toilettenbenutzung ist doch eine etwas schwierigere Angelegenheit…
Mit Einsetzen der Dämmerung kommen wir in El Fuerte an. Der Bahnhof liegt außerhalb, aber Taxis warten natürlich schon, um die Touristen in die Stadt zu bringen. Wir lernen zwei Rucksackreisende kennen, die mit uns im gleichen Hotel absteigen und mit ihnen gehen wir abends essen.
Am nächsten Morgen geht es dann wieder zurück. Obwohl es ja die gleiche Strecke ist, sind die Ausblicke aus der umgekehrten Perspektive anders. Es ist schade, dass wir gerade zu einer Zeit unterwegs sind, als die Bäume ohne Blätter sind und alles nur braun in braun ist. Erst die grünen Nadelwälder in höheren Lagen bringen wieder etwas Farbe in die Landschaft.
Am späten Nachmittag kommen wir wieder in Creel an und der Spaziergang zum Campingplatz tut gut nach der stundenlangen Sitzerei im Zug.
Von Creel aus fahren wir ein Stück südwärts durch den Kupfercanyon. Die Straße verläuft zwischen 1700 und 2300 m. Es geht ständig Auf und Ab, oft durch Pinienwälder und mit Ausblicken auf Schluchten und kahle Berge.
Nach einem erneuten Abstecher zu den Mennoniten geht es Richtung Norden. Wir besuchen die Ausgrabungsstätte Paquime und von dort ist es nicht mehr weit bis zur Grenze. Auf diesem Streckenabschnitt haben wir gleich mehrere Militärkontrollen und stehen jedes Mal im Stau. Welchem Zweck die Kontrollen dienen, ist nicht ersichtlich. Illegale Einwanderer werden kaum versuchen, auf diesem Wege nach USA zu kommen und für die Suche nach Drogen ist die Kontrolle nicht gründlich genug. Am frühen Nachmittag sind wir dann endlich in Agua Prieta, tanken noch einmal alles voll, denn die Spritpreise in USA sind wesentlich höher und überqueren die Grenze nach USA.