Die Einreise läuft so völlig anders ab als in den USA. Die zuständige Beamtin bei der Passkontrolle ist nett und höflich, sie stellt keine endlosen Fragen zu früheren Reisen, dem Zweck der Reise oder nach Verwandten und Familie. Sie will nur sicher gehen, dass wir das Land wieder verlassen und da wir Rückflugtickets haben, ist das kein Problem. Wobei sie sich zwar nach den Tickets erkundigt, sie aber dann doch nicht sehen will. Eine Fahrzeugkontrolle findet nicht statt, lediglich einen Apfel müssen wir abgeben, da dessen Einfuhr verboten ist. Unser Gemüse dagegen dürfen wir behalten. Wir bekommen einen Stempel in den Pass und nach knapp 10 Minuten ist die Einreiseprozedur erledigt – wir sind mehr als angenehm überrascht vom Beginn unseres Kanada-Aufenthalts. Hier fühlen wir uns wirklich willkommen und empfinden die Schilder an der Straße “Welcome to British Columbia” nicht nur als leere Geste.
Von früheren Reisen her haben wir die Kanadier in sehr angenehmer Erinnerung und bereits in den ersten Tagen bestätigt sich das wieder. Die Leute sind hier wesentlich höflicher und zurückhaltender und bei weitem nicht so aufdringlich mit ihrer Fragerei. Natürlich werden wir immer wieder auf den Unimog angesprochen – das Fahrzeug ist schließlich auffallend. Aber die Fragen sind ganz anderer Natur und es ergeben sich daraus auch Gespräche. In USA war es mehr ein Frage-Antwort-Spiel als ein Dialog.
Wir wollen uns in den nächsten Wochen nur in British Columbia aufhalten und besorgen uns dafür detaillierte Landkarten. Es gibt allein in dieser Provinz unzählige Seen und Flüsse, an denen man campen kann. Glücklicherweise erreichen wir schon am Donnerstag einen herrlichen Platz am Harrison Lake, denn am 1. Juli ist Nationalfeiertag in Kanada. Da der Tag auf einen Sonntag fällt, ist am Montag frei. Das bedeutet ein langes Wochenende und ab Freitag morgen füllt sich der kleine Platz schlagartig. Durch unsere frühe Ankunft haben wir den besten Platz bekommen, direkt am Seeufer, ohne unmittelbare Nachbarn.
Jeden Abend machen wir Lagerfeuer, grillen und sitzen lange draußen, denn es ist bis fast 22 Uhr hell. Überraschenderweise sind die Moskitos recht zurückhaltend und werden erst nach neun Uhr abends aktiv. Das Wetter hält sich einigermaßen. Obwohl die Wolken oft tief unten hängen, tröpfelt es höchstens mal. Zwischendurch scheint dann wieder die Sonne und so genießen wir das Campen mitten im Wald in vollen Zügen. Nachdem wir monatelang nur wüstenhafte Landschaften gesehen haben, sind die dichten, grünen Wälder eine wahre Wohltat.
Bevor wir weiter nordwärts fahren, müssen wir in die Werkstatt. Schon in USA hat sich abgezeichnet, dass wir Probleme mit dem Vorgelege bekommen werden. Deshalb hatten wir uns vorsorglich die Teile schicken lassen. Und in der Nähe von Vancouver lassen wir – nach 250.000 km – hinten links neue Zahnräder und Lager einbauen. Das Ganze dauert nur einen halben Tag, verglichen mit dem letzten Werkstattaufenthalt 2005 in Costa Rica von gut zwei Wochen ist das ein Klacks. Danach können wir wieder auf Holzfällerstraßen durch die Wälder fahren, ohne uns Sorgen machen zu müssen.
Jetzt brauchen wir nur noch neue Reifen. Besonders die Vorderräder sehen schlimm aus und von Profil ist hier kaum noch die Rede. Seit wir in Kanada sind, haben wir schon mehrere Reifenhändler aufgesucht und nun sind wir endlich fündig geworden. Die beiden Jungs, die den Reifenwechsel vornehmen, sind wirklich klasse. Innerhalb von 15 Minuten haben sie die alten Reifen von der Felge gewuchtet und neue aufgezogen. Den Zeitpunkt für den Reifenwechsel haben wir wirklich gut gewählt, denn an diesem Nachmittag regnet es seit langem zum ersten Mal.
Wir bewegen uns nur langsam nordwärts. In Williams Lake steht eine größere Einkaufstour an, danach sind wir wieder mehrere Tage an einem See.
In der dritten Juliwoche erreichen wir dann die Ortschaft Quesnel, wo wir uns mit Freunden verabredet haben. An diesem langen Wochenende finden hier die “Billy Barker Tage” statt einschließlich Rodeo. Billy Barker hat in der Umgebung 1862 Gold gefunden und damit einen Goldrush ausgelöst. Auch heute wird in den Wäldern noch nach Gold gebuddelt und Quesnel nennt sich selbst “die Gold Pan Stadt” und hat die weltgrößte Goldwaschpfanne aufgestellt.
Obwohl die Festtage angeblich auf ein Wochenende gelegt werden, an dem – laut Statistik – nur selten mit Regen zu rechnen ist, hat es dieses Mal nicht so mit der Vorhersage geklappt. Die Hitzewelle der letzten Zeit mit Temperaturen bis zu 35 Grad ist auf jeden Fall vorbei. Tagsüber bleibt es trocken mit gelegentlichem Sonnenschein, aber ab dem späten Nachmittag bzw. frühen Abend regnet es. Doch die Kanadier sind abgehärtet und lassen sich deshalb die Open-Air-Musik, die täglich geboten wird, dadurch nicht vermiesen. Wer keinen Platz unter den aufgestellten Zelten bekommt, sitzt eben mit Regenschirm im Freien.
Den Umzug am Samstag Vormittag sowie das Rodeo am Nachmittag können wir noch im Trockenen anschauen, doch bei den Autorennen, zu denen wir daran anschließend fahren, fängt es kurz vor Schluss wieder zu regnen an.
Das Gemisch aus Sonne und Regen begleitet uns noch einige Tage, dann wird es wieder richtig heiß.
In der Nähe von Lac La Hache wollen wir eigentlich nur eine Nacht auf einem kostenlosem Campingplatz bleiben. Doch dann treffen wir dort völlig überraschend Christine und Jürgen wieder, von denen wir uns gerade mal eine Woche vorher verabschiedet haben. Und weil der Campingplatz wunderschön an einem See liegt bleiben wir vier gleich die ganze Woche.
Von einer kanadischen Familie, die vom Campen heimfährt, bekommen wir das restliche Feuerholz und so grillen wir fast jeden Abend. Tagsüber fahren wir Kajak, gehen schwimmen oder joggen und natürlich gibt es viel zu erzählen.
Wir bleiben mit den beiden noch eine Weile zusammen. Gemeinsam machen wir eine Wanderung zu den Joffrey Lakes. Drei smaragdgrünen Seen, bei denen man vom untersten und vom höchstgelegenen einen schönen Blick auf den darüberliegenden Gletscher hat.
Unser nächstes Ziel ist Abbotsford, wo Mitte August die größte Air-Show Kanadas stattfindet. Auf dem Gelände des Flugplatzes wird für diese Tage eine Campingmöglichkeit eingerichtet und bereits ab Donnerstag morgen stehen dort die ersten Fahrzeuge. Gemeinsam richten wir uns ebenfalls für die kommenden Tage dort ein. Obwohl das Ganze erst am Freitag offiziell beginnt, können wir schon an diesem Nachmittag die ersten Flugübungen sehen. Auf den vor uns liegenden Startbahnen sehen wir bereits Transport- und Militärmaschinen und unzählige andere kleine Flugzeuge.
Am Freitag morgen geht es dann richtig los. Zusammen mit anderen Schaulustigen besichtigen wir diverse Flugzeuge, die vom us-amerikanischen und kanadischen Militär ausgestellt sind.
Daneben gibt es Militärfahrzeuge zu sehen und Stände der us-amerikanischen Armee, mit dem Hinweis, dass man jederzeit bei ihnen anheuern kann. Weil beim Irak-Krieg derzeit kein Ende absehbar ist, ist die amerikanische Armee ständig auf der Suche nach Leuten, die dort ihr Leben riskieren wollen. Auf uns wirkt das Ganze recht makaber, doch bereits kleine Jungs sind begeistert von den ausgestellten Maschinengewehren, an denen man herumhantieren darf und lassen sich immer wieder eine Panzerfaust vorführen.
Bei den Kanadiern dagegen zeigen unterschiedliche Polizeiabteilungen ihre Arbeit und werben ebenfalls um Leute. Es sieht ja auch toll aus, was man da so vorgeführt bekommt. Die schwarz gekleideten, durchtrainierten Jungs sehen filmreif aus, wenn sie schwer bewaffnet, mit Helm und kugelsicherer Weste ihre Einsätze demonstrieren. Überaus seriös dagegen wirken die in ihrer schicken roten Uniform umher schreitenden Polizisten der Royal Canadian Mounted Police (RCMP), “Mounties” genannt.
Pünktlich um 12 Uhr beginnen dann täglich die Flugvorführungen. Nach dem Absprung der Fallschirmspringer “Skyhawks” mit verschiedenen Formationen, dem Abspielen der us-amerikanischen und kanadischen Nationalhymne sind die folgenden 5 – 6 Stunden voll mit den unterschiedlichsten Flugzeugen und ihren Flugdemonstrationen.
Neben alten Doppeldeckern und Maschinen aus dem 2. Weltkrieg zeigen Piloten auch in Überschallflugzeugen und dem so genannten Tarnkappenbomber, was man mit einem Flieger alles so anstellen kann. Auf dem Rücken liegend, Loopings und Kreisel drehend, steile Auf- und Abstiege fliegend – es ist einfach unglaublich und faszinierend, wie die Männer die Maschinen beherrschen.
Und dann dürfen natürlich auch einige Bombardierungen nicht fehlen, bei denen wirkungsvoll Feuer und Rauch aufsteigen. Allerdings wird das Ganze vom Boden gezündet, es werden also gar keine richtigen Bomben abgeworfen.
Dazwischen gibt es verschiedene Einlagen. Dazu gehört eine der wenigen Frauen, die während des Flugs auf einem Doppeldecker Kunststücke zeigt. Der Pilot dieses Doppeldeckers landet später auf einem fahrenden Fahrzeug mit Plattform auf dem Dach, genannt “der kleinste Flugplatz der Welt”.
Der modernste Rettungshubschrauber der amerikanischen Küstenwache zeigt Rettungsübungen und die kanadische Armee demonstriert mit zwei Mercedes G und Rauchbomben, wie sie sich taktisch einem feindlichen Unterstand nähert und einen wild um sich schießenden Mann außer Gefecht setzt. Doch – so erläutert der Sprecher – selbst den Feinden wird medizinische Hilfe geleistet und so wird der “verletzte Feind” dann demonstrativ im kanadischen Sanitätsfahrzeuge abtransportiert.
Das Beste kommt täglich am Schluss. Dann zeigen die “Snowbirds” eine beeindruckende Vorführung am Himmel. Die “Snowbirds” sind Teil der kanadischen Armee und deren ganzer Stolz. Sie repräsentieren Teamgeist und Professionalität – und sollen so junge Kanadier dazu animieren, der Armee beizutreten. Uns sind derartige Hintergedanken egal. Wir genießen einfach nur die wirklich professionelle und hervorragend inszenierte Demonstration der Piloten, die ihre acht Flugzeuge gekonnt durch die Luft manövrieren.
Am Montag leert sich der Campingplatz sehr schnell. Wir dagegen bleiben bis zum Mittag, denn während die Flugzeuge ausgeflogen werden, verabschieden sich die Piloten mit einigen sehenswerten Manövern. Sie überfliegen sowohl den Flugplatz als auch die Campingwiese und “winken” noch mit den Flügeln.
Die Flugschau war sozusagen ein Geschenk für Klaus, denn tags darauf feiert er Geburtstag. Zusammen mit Christine und Jürgen quartieren wir uns auf einem Campingplatz am Chehalis River ein. Nachmittags gibt es Kaffee und Erdbeerkuchen, abends dann Lachs vom Lagerfeuer.
Dann heißt es Abschiednehmen, unsere Wege trennen sich und jeder fährt alleine weiter. Wir wollen uns endlich mal Vancouver Island ansehen, das wir noch nicht kennen. Vom Fährterminal Tsawwassen setzen wir nach Swartz Bay über. Die Überfahrt dauert nur 1 Stunde 45 Minuten und geht durch kleine Inseln hindurch.
Als erstes schauen wir uns Victoria an, die Hauptstadt British Columbias. Wir haben auch gleich das berühmte Glück mit dem Wetter, denn angeblich ist Victoria nicht nur die sonnigste Stadt der Insel, sondern gleich von ganz Kanada. So bummeln wir bei Sonnenschein vorbei am Parlament, schauen uns die Totempfähle im Thunderbird Park an und das wirklich sehr kleine Chinatwon. Hinter dem riesigen Eingangstor ist lediglich ein Straßenzug mit wenigen Häusern.
Im Hafen herrscht ein geschäftiges Treiben, von hier starten zahlreiche Wasserflugzeuge und auch die Bootsausflüge zum Wale beobachten.
Von den wenigen Sehenswürdigkeiten ist das Parlamentsgebäude wohl das Wichtigste. Seine Fassade wird ab der Dämmerung mit tausenden von Glühbirnen beleuchtet.
Als wir auf Vancouver Island unterwegs sind, haben wir anfangs noch gar nicht das Gefühl, uns tatsächlich auf einer Insel zu befinden. Es herrscht noch ziemlich viel Verkehr, geht nur durch Wälder und vom Meer ist nichts zu sehen. Erst als wir die größeren Städte hinter uns lassen, wird es besser.
Und als wir dann noch die tollen Strände sehen, gefällt uns die Insel immer mehr.
Dass es im Norden von Vancouver Island viele Schwarzbären geben soll, hören wir immer wieder von den Einheimischen. Und tatsächlich sehen wir dann innerhalb von 48 Stunden gleich 12 Stück davon.
Die meisten sitzen neben der Straße und fressen genüsslich Beeren, die es zu dieser Jahreszeit reichlich gibt.
Auch wenn wir auf Pisten im Wald unterwegs sind, ist nicht zu übersehen, dass es Bären gibt. Die “Häufchen” dampfen teilweise noch, als wir vorbeifahren und zeigen uns an, dass wir ganz sicher nicht allein unterwegs sind.
Vancouver Island ist ja bekannt für seine Tierwelt und besonders für Walbeobachtungen. Nachdem wir ja in Mexiko schon ganz nah herangekommen sind, denken wir eigentlich, dass das wohl kaum zu überbieten ist. Doch ein Ausflug mit Bekannten belehrt uns eines Besseren.
Während noch Nebel auf dem Wasser liegt, fahren wir mit einem kleinen Boot hinaus und treffen als erstes auf unzählige Lachsangler.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir dann eine kleine Insel, auf der sich die riesigen Steller Seelöwen befinden. Noch bevor wir sie im Nebel sehen, haben wir schon ihren durchdringenden Gestank in der Nase. Die Tiere sind viel größer als ihre Artgenossen, die wir sonst gesehen haben. Sie tummeln sich auf einem Felsen, grunzen und röhren laut und es herrscht ein ständiger Kampf um die wenigen Plätze. Aber wir wollen ja ganz was anderes sehen und so geht die rasante Fahrt weiter durch die kleinen Inseln. Und bevor wir sie sehen, können wir das laute Schnauben schon hören – Orcas.
Eine ganze Schule sehen wir, immer wieder tauchen gleich mehrere Tiere auf. Man darf sich ihnen nur auf eine bestimmte Distanz nähern und so dümpeln wir – wie andere Boote auch – in genügend Abstand und schauen uns das faszinierende Schauspiel an. Die Orcas lassen sich nicht stören und ziehen zügig immer weiter. Von Mai bis September gibt es hier besonders viele von ihnen und so haben sich einige kleinere Orte auf Vancouver Island darauf spezialisiert, Touristen diese Attraktion zu zeigen.
Auch wir sind total begeistert und überglücklich, dass wir mit unseren Bekannten diesen Ausflug gemacht haben.
Leider ist die Zeit auf Vancouver Island viel zu kurz. Besonders der Norden der Insel hat es uns angetan und wir hoffen, dass wir noch einmal hierher kommen werden.
Doch erst einmal geht es zurück nach Victoria und von dort aus mit der Fähre zurück nach Vancouver. Dort machen wir unseren Unimog winterfest und stellen ihn für die kommenden Monate ab. Wir fliegen wieder einmal nach Deutschland. Unser neuester Film “USA – Mexiko” ist fertig und damit gehen wir in Deutschland auf Tour (siehe Vorträge/Termine).