Der Grenzübergang besteht aus zwei Gebäuden. In einem sitzt ein kanadischer Beamter, im anderen ein us-amerikanischer. Und der Beamte ist mit Abstand der netteste, den wir jemals bei der Einreise in die USA hatten. Er stellt zwar auch seine Standardfragen, aber endlich mal in einem freundlichen Ton und nicht in dem sonst üblichen barschen Militärtonfall. Und weil an der Grenze außer uns niemand ist, hat er auch Zeit für eine Unterhaltung.
Die Piste führt weiterhin über der Baumgrenze entlang mit weiten Ausblicken auf die bewaldeten Hänge. Wir kommen durch den winzigen Ort Chicken mit seinen 15 Einwohnern und in Tok treffen wir dann wieder auf den Alaska-Highway. Ihm folgen wir bis zu seinem offiziellen Ende in Delta Junction.
Die Fahrt weiter nach Fairbanks geht mal wieder durch Wald und wir wundern uns, dass es sowohl in Kanada als auch in Alaska immer noch soviel Wald gibt, obwohl die Holzindustrie hier eine so große Rolle spielt. Aber das meiste beim Abholzen spielt sich eben im Hinterland ab, da wo man als Tourist üblicherweise nicht hinkommt.
Fairbanks ist als Stadt wirklich uninteressant, es gibt dort keine Sehenswürdigkeiten. Wir besuchen lediglich das Museum der Universität und schauen uns den Film über das Nordlicht an, ansonsten ist die Stadt für uns nur Versorgungsstation. Außerdem machen wir einen kurzen Abstecher an den nördlichen Stadtrand, wo wir einen Teil der Alaska-Pipeline sehen.
Es ist sehr heiß in Fairbanks und wir hoffen, dass sich das gute Wetter noch ein paar Tage hält, wenn wir zum Denali-Nationalpark fahren. Wir wollen dort zwar keine der Busfahrten mehr machen, mit denen man in den Park hineinkommt. Aber den Mount McKinley hätten wir schon gerne noch mal gesehen. Aber kaum kommen wir in die Nähe des Nationalparks, wird es immer schlechter und fängt dann auch noch zu regnen an. Im Besucherzentrum schauen wir uns die Wettervorhersage an und weil für den Rest der Woche keine Besserung in Sicht ist, beschließen wir, dass wir bis Anchorage durchfahren. Als wir damals 1996 hier waren, hatten wir das Glück, den Berg gleich an mehreren Tagen hintereinander zu sehen. Aufgrund der hiesigen Statistik, wonach der Berg gerade mal jeden 3. Tag sichtbar ist, haben wir unser Glück damals wohl überstrapaziert und müssen dieses Mal darauf verzichten.
Auch in Anchorage ist das Wetter schlecht. Es ist immerzu bewölkt und fast jeden Tag regnet es. Bei einer Reifenfirma bestellen wir uns zwei neue Reifen und weil es eine Weile dauern wird, bis sie kommen, fahren wir für ein paar Tage nach Seward. Auf dem Weg dahin sehen wir kaum etwas von der Landschaft und den Bergen, weil die Wolken tief herunter hängen. Es ist außerdem ziemlich kalt, die Temperaturen steigen selbst tagsüber kaum über 10°C an – und das mitten im Juli. Von Sommer kann auf jeden Fall keine Rede sein. Inzwischen ist das schlechte Wetter sogar ein Thema in der Zeitung und wir lesen, dass es, wenn es noch ein paar mehr von diesen kalten Tagen gibt, der Sommer der schlechteste seit 30 Jahren ist. Diese Aussicht begeistert uns nicht gerade.
Immerhin haben wir in Seward ein paar angenehme Tage. Entgegen der Wettervorhersage scheint sogar an zwei Tagen die Sonne und wir nutzen die Zeit, um eine Wanderung zum Exit-Gletscher zu machen.
Man sieht ihn bereits von der Straße aus und kann auf einer kurzen Wanderung bis direkt an den Rand gehen. Auf dem Weg dahin markieren Schilder den dramatischen Rückgang des Eises.
In Seward selbst ist das interessanteste Ereignis des Tages die Ankunft der Boote, mit denen zum Heilbutt-Angeln hinausgefahren wird. Ab dem Spätnachmittag trifft eines nach dem anderen ein und die stolzen Fischer präsentieren ihren Fang an der Anlegestelle. Die einzelnen Exemplare werden erst gewogen, danach zum Fotografieren aufgehängt und anschließend werden die Fische ausgenommen. Das alles unter den interessierten Blicken zahlreicher Zuschauer. Und mindestens genauso viele Möwen warten dann auf die Fischabfälle, die in einem Trog unter dem Holzsteg landen.
Vor unserem Abstecher nach Seward hatten wir in Anchorage zwei Reifen bestellt und als die angekündigte Zeit vorbei ist, fahren wir wieder in die Stadt und fragen nach. Leider gibt es ein Transportproblem und wir werden auf die kommende Woche vertröstet. Das ist mehr als ungünstig, denn ohne Ersatzreifen wollen wir nicht herumfahren. Außerdem ist das Wetter in Anchorage weiterhin schlecht. Als wir dann auch noch unverschuldet in einen Unfall verwickelt werden, ist das Maß aller Dinge voll. Wir parken auf einem riesigen Supermarktplatz und liegen bereits im Bett, als nachts um halb elf plötzlich der Unimog schaukelt. Bereits der vorangegangene Knall lässt uns aufschrecken und wir sehen einen Wohnwagen, der sich in unserer Fahrerkabine verkeilt hat. Der Fahrer bemerkt sein Unglück zwar, fährt aber rückwärts und verkeilt sich dadurch noch mehr. Klaus zeiht sich sofort an und stürmt hinaus. Es ist unglaublich. Links, rechts, vor und hinter uns ist auf mehrere Meter alles frei. Aber der Amerikaner schafft es, dass er beim Vorbeifahren den Schwung seines angehängten Wohnwagens unterschätzt und uns voll erwischt. Dabei ist es um diese Zeit auch noch hell und wir sind nun wirklich nicht zu übersehen. Klaus ist erst mal sauer, aber der Amerikaner gibt sofort zu, dass er Schuld ist. Er ruft dann auch die Polizei an und gibt uns in der Zwischenzeit seine Personalien und Versicherungsunterlagen. Während wir auf das Eintreffen der Polizei warten, fängt es zu regnen an. So stehen wir draußen in Kälte und Regen herum, immer hoffend, dass endlich mal jemand kommt. Eine geschlagene Stunde warten wir, dann endlich kommt ein Polizist. Er besieht sich den Schaden und erklärt uns dann, wie wir und der Schadensverursacher weiter vorzugehen haben. Er lässt uns Formblätter zum Ausfüllen da und gegen halb eins kommen wir endlich wieder zurück ins Bett.
Seit wir unsere Weltreise im September 2000 begonnen haben, hatten wir vier Mal einen Schaden am Unimog. Zwei Mal verursacht durch indische Autofahrer, zwei Mal durch amerikanische Autofahrer.
Den ganzen nächsten Vormittag und frühen Nachmittag verbringen wir dann zusammen mit dem Amerikaner, um die Blätter auszufüllen. Er telefoniert mit seiner Versicherung und gibt den Schaden an. Wir hoffen nur, dass wir die Angelegenheit mit der Versicherung so schnell wie möglich und vor allem in der Zeit abklären können, die wir noch in Alaska sind.
Das Wetter am Freitag ist herrlich und so verlassen wir gutgelaunt mit Bekannten Anchorage, um für ein paar Tage am Russian River zu campen. Die Saison für das Lachse fangen hat begonnen und die beiden Flüsse Russian und Kenai sind überaus beliebte Angelgründe. Leider hält das gute Wetter nur solange bis wir auf dem Campingplatz angekommen sind, danach fängt es mal wieder zu regnen an. Und bis auf einige Pausen regnet es den ganzen Samstag durch. Wir selbst angeln zwar nicht, sehen aber unseren Bekannten zu, die stundenlang im tiefen Wasser stehen und große Lachse herausziehen.
Besonders am Zusammenfluss von Russian und Kenai versammeln sich unzählige Angler, stehen dicht an dicht und versuchen die Lachse herauszuholen. Es geht sogar soweit, dass sich die Angelschnüre verhaken oder man sich gegenseitig beim Auswerfen des Hakens trifft. Weil immer wieder Bären gesehen werden, die natürlich ebenfalls an den Lachsen interessiert sind, hat jeder mindestens ein Bärspray dabei. Manchem Fischer reicht das jedoch nicht und so sehen wir manche Männer auch besser bewaffnet – mit Revolver, Pistole oder sogar Gewehr.
Auf der Rückfahrt nach Anchorage stoppen wir an einem weiteren sehr beliebten Angelfluss, dem Bird Creek. Auch hier stehen die Fischer dicht gedrängt und holen immer wieder Lachse heraus. Wir bekommen von unseren Bekannten mehrere große Lachsfilets geschenkt, die im Laufe der kommenden Tage unser Abendessen werden.
Wieder zurück in Anchorage, erfahren wir, dass es noch ein paar Tage dauern wird, bis wir unsere Reifen bekommen werden. Auch einen geplanten Flug können wir nicht machen, das Wetter bleibt weiterhin bewölkt und regnerisch. Um sich etwas aufzumuntern, beschließt Klaus, dass er sich doch noch eine Angellizenz für drei Tage kaufen will, um selbst sein Glück zu versuchen. Unsere Bekannten sind begeistert und freuen sich, dass wir noch einmal gemeinsam ein Wochenende zum Campen gehen. Und endlich, nach zwei Wochen Warten, bekommen wir dann auch unsere Reifen.
Das folgende Wochenende ist dann dem Angeln von Lachsen gewidmet. Schon bevor unsere Bekannten eintreffen, hat Klaus die ersten Fische gefangen. Danach stehen die Männer zusammen stundenlang im kalten Bach – geschützt durch hüfthohe Gummistiefel – und holen die leckeren Fische heraus. Wir Frauen sehen dem Ganzen vom Trockenen aus zu.
Zum Abendessen gibt es dann Lachs in allen Variationen, gebraten, gedünstet, geräuchert.
Einen Teil müssen wir einfrieren, denn nach soviel Fisch brauchen wir etwas Pause. Als wir dieses Mal nach Anchorage zurück kommen, erfahren wir, dass uns die Versicherung des Unfallgegners einen Scheck schicken will. Na endlich mal etwas positives. Nachdem sogar das Wetter beim Angeln brauchbar gewesen ist – Sonne und Wolken. Und auch bei der Fahrt nach Homer haben wir endlich Glück. Bei unserem Abstecher nach Nikiski können wir die Ölplattformen vor der Küste samt den dahinter liegenden Vulkanen der Aleutenrange sehen.
In dem ehemals russischen Ort Ninilchik schauen wir uns die russisch-orthodoxe Kirche an und finden direkt am Strand einen sehr schön gelegenen Campingplatz.
In Homer selbst schüttet es am Tag unserer Ankunft nachmittags noch wie aus Kübeln. Aber bereits am nächsten Morgen scheint die Sonne und so können wir endlich unseren lange geplanten Flug über Gletscher und schneebedeckte Berge machen.
Von Homer aus fliegen wir mit einem knallroten Wasserflugzeug zu den gegenüberliegenden Bergen. Der Pilot ist sehr erfahren und geht voll auf unsere Wünsche ein. Zwischen den Bergen hindurch und auf niedriger Höhe fliegen wir über einen Gletscherfluss, genauso wie wir es wollten. Und am Schluss dann direkt entlang des Homer Spit zurück.
Aufgrund des schönen Wetters bleiben wir mehrere Tage in Homer und campen direkt am Meer. Es ist jetzt Anfang August und trotz Wochenende sind nicht mehr all zu viele Wohnmobile unterwegs. Einen Stellplatz auf dem Camping zu bekommen, ist überhaupt kein Problem. Und auch sonst sind nur wenige Leute beim Spazierengehen oder Bummeln unterwegs. Der Ort macht den Eindruck, als ob das Ende der Saison nahe wäre.
Auf dem Rückweg nach Anchorage legen wir noch einen Stopp am Portage Gletscher ein – bereits zum dritten Mal und endlich bei Sonnenschein.
Außerdem schwimmen dieses Mal auch mehrere Gletscherstücke im See.
Leider hält das Wetter wieder mal nicht an und bereits am nächsten Tag schüttet es wieder wie aus Eimern. Auf dem Weg nach Anchorage kommen wir wieder an dem Meeresarm Turnagain Arm vorbei. An mehreren Aussichtspunkten gibt es Hinweistafeln zu Beluga-Walen, doch irgendwie können wir uns nicht vorstellen, dass das tatsächlich stimmt. Wir sind die Strecke schon ein halbes Dutzend Mal gefahren ohne irgendwelche Anzeichen für Wale zu bemerken. Aber plötzlich sehen wir in dem braunen Wasser weiße Flecken. Wie kleine Eisberge tauchen die Rücken der Belugas aus dem braunen Wasser auf. Es müssen Dutzende sein, die in der Meerenge herumschwimmen.
Zurück in Anchorage treffen wir uns ein letztes Mal mit unseren Bekannten und feiern Klaus’ Geburtstag in der besten Pizzeria Anchorages. “Moose’s Tooth” ist so beliebt, dass sich an jedem Wochentag lange Warteschlangen davor bilden, Reservierungen sind nicht möglich. Glücklicherweise hat Georgia schon einen Piepser als wir dort ankommen.
Ein Piepser ist in den USA üblich bei einem Restaurantbesuch. Das bedeutet, dass man sich am Eingang meldet und angibt, wie viele Personen einen Tisch zum Essen brauchen. Dann bekommt man ein Gerät in der Größe eines Telefons, das ein Signal gibt, sobald man an der Reihe ist. Bis dahin vertreibt man sich die Zeit mit Warten. Entweder ohne alkoholische Getränke draußen oder mit alkoholischen Getränken in einem Wartebereich innen. “Moose’s Tooth” braut mehrere Biersorten, die sehr gut schmecken, unter anderem trübes Hefeweizen. Es dauert zwar fast eine Stunde, bis wir endlich einen Tisch bekommen, aber aufgrund des leckeren Bieres ist das kein Problem. Unsere Stimmung ist sehr ausgelassen, die Pizza – wie immer – ausgezeichnet. Und gekrönt wird das feucht-fröhliche Abendessen von einer Eistorte, dem Anlass entsprechend mit einer kleinen Geburtstagskerze für Klaus.
Danach heißt es mal wieder Abschied nehmen und für uns geht es gen Süden und wir sehen bereits die ersten Anzeichen des nahen Herbstes. Bei der Fahrt nach Valdez haben einige Bäume schon die ersten gelben Blätter. In Valdez sind die Campingplätze noch richtig voll mit Wohnmobilen. Bis Ende August finden noch das Lachs- und das Heilbuttderby statt. Besonders letzteres ist anscheinend ein richtig großes Ereignis, denn sogar im Radio wird durchgegeben, wie hoch der momentane Rekord steht. 251 Pfund = 113,8 kg wiegt der bisher größte gefangenen Heilbutt. 15.000 USD bekommt der Gewinner, wenn nicht ein noch größerer Fisch bis Ende des Monats an Land gezogen wird.
Am gegenüberliegenden Ufer ist die Bucht voll mit Lachsen und entlang der Straße stehen mal wieder unzählige Fischer. Besonders vor einem Gitter sehen wir kaum noch Wasser, so wimmelt es hier von Lachsen. Die Tiere können nicht weiter, denn der kleine Bach wird gestaut und das Gitter soll verhindern, dass die Fische in den Turbinen landen.
In Valdez regnet es zwar nicht, aber der zugezogene Himmel wirkt auch nicht gerade einladend und so machen wir uns tags darauf auf den Weg in Richtung kanadische Grenze. Auch hier verfärben sich die Bäume bereits gelb und rot. Endlich mal etwas Farbe in dem ewigen Grün der Wälder.
Wir reisen zwar nach Kanada ein, allerdings nur für einen Tag, danach überqueren wir wieder die Grenze und sind noch einmal in Alaska. Dieses Mal fahren wir nach Haines. Die Strecke dahin wäre ganz toll, sie verläuft durch schneebedeckte Berge und eine Art Hochplateau, doch es regnet. Und auch im Ort selbst hängen die Wolken tief herunter, so dass wir von den umgebenden Bergen und der angeblich so schönen Lage des Ortes kaum etwas sehen.
Der Ort selbst gibt gar nichts her, trotz seiner schönen Lage am Wasser und umgeben von den Bergen. Das einzig Interessante ist, dass wir einen Grizzly beim Lachsfangen sehen können.
Von Haines nehmen wir eine Fähre nach Skagway. Leider geht diese nachts um 22 Uhr, sodass wir überhaupt nichts von der Landschaft mitbekommen. Nach einer Stunde Überfahrt kommen wir dann im Dunkeln und bei Regen in Skagway an. Skagway hatte seine Blütezeit in den Jahren 1897 und 1898 zur Zeit der Goldfunde in Alaska. Über 20.000 Menschen sollen in der Umgebung gelebt haben. Heute sind es an die 800 Einwohner, die in der kleinen Stadt wohnen. An der Hauptstraße reihen sich die Geschäfte aneinander, alle untergebracht in restaurierten alten Holzhäusern. Das vermittelt einen Eindruck davon, wie es hier einmal ausgesehen hat.
Im Hafen liegen zwei Kreuzfahrtschiffe und die Passagiere laufen zu Hunderten herum. Sie sind die Haupteinnahmequelle hier im Ort, denn welcher andere Tourist würde sich sonst für Teppiche aus dem Nahen Osten oder Edelsteine aus Afrika interessieren, in einem abgelegenen Kaff in Alaska?
Von Skagway führt unser Weg zurück nach Kanada.