Nach dem Überqueren des Grenzflusses Ebroz fahren wir in den Zollhof ein. Die Einreise ist völlig unproblematisch, unsere Pässe werden kontrolliert und gestempelt. Die Fahrzeugpapiere durchgeschaut, ansonsten interessiert sich niemand für unseren Unimog und wir dürfen weiter fahren.
Bei Eceabat überqueren wir mit einer kleinen Fähre die Dardanellen-Meerenge und fahren dann an der Küste entlang.
Dabei fallen uns gleich mehrere Sachen unangenehm auf. Das sind zum einen die enorm hohen Spritkosten. Bei Diesel bewegt sich der Preis um 1,50 € pro Liter, bei Benzin muss man mit 1,80 € pro Liter rechnen. Da wundern wir uns schon, wie sich die Einheimischen das Tanken leisten können. Wir gehen davon aus, dass in der Türkei das Einkommen im Schnitt sicher unter deutschem Niveau liegt.
Zum anderen ist die Bebauung an manchen Küstenabschnitten inzwischen soweit fortgeschritten, dass wir gar nicht mehr merken, wann ein Ort zu Ende ist und der nächste beginnt. 40 – 50 Kilometer fahren wir dahin, ohne dass mal eine längere Baulücke kommt. Man ist hier überhaupt eifrig am Bauen. Die Straßen werden von zwei- auf vierspurig erweitert und alle paar Kilometer werden neue Tankstellen gebaut.
Das einzig gute ist das Wetter. Es ist herrlich warm, für uns fühlt es sich noch richtig nach Sommer an.
Wir wollen uns die Sinterterrassen von Pamukkale anschauen und gehen dazu auf einen Campingplatz. Er ist an der Hauptstraße und von hier aus haben wir alles im Blick. Die weiß leuchtenden Terrassen gegenüber und jeden Touristenbus, der hält und das sind nicht wenige. Vor allem ab der Abenddämmerung kommen – oft im Minutentakt – die Busse vorbei. Schließlich werden die Terrassen nachts beleuchtet und dieses Schauspiel soll ja niemandem vorenthalten werden. Gleich am ersten Abend zählen wir innerhalb von zwei Stunden 20 Busse.
Am nächsten Tag schauen wir uns die Terrassen an. Bei unserer ersten Türkeireise 1987 sind wir auch hier gewesen, doch das kann man natürlich längst nicht mehr vergleichen. Heute bezahlt man Eintritt für den Besuch der Terrassen und die Ausgrabungsstätte Hierapolis, 20 TL pro Person (= 10 €). Kurz nach dem Kassenhäuschen sitzt dann ein Wärter, der aufpasst, dass auch jeder seine Schuhe auszieht. Zum Schutz der Felsen darf man diese nämlich nur barfuss betreten.
Wir gehen bis zur Plateaukante hoch.
Auf Bildern sieht man die weißen Terrassen immer mit Wasser gefüllt. Doch in Wirklichkeit steht das Wasser nur in einigen Becken. Ein Prospekt erläutert, dass man die Terrassen immer wieder austrocknen lässt, damit sie weiß bleiben. Würde hier ständig das Wasser fließen, würden sie sich verfärben.
Natürlich besichtigen wir auch die Ausgrabungsstätte Hierapolis. Besonders das Theater wurde in den letzten Jahren sehr gut restauriert.
Am frühen Nachmittag gehen wir dann wieder zurück.
Leider fängt schon gegen fünf Uhr abends die Dämmerung an und gleich darauf ist es dunkel. Da können wir unsere Aktivitäten tagsüber nicht allzu lange ausdehnen.
Von Pamukkale aus fahren wir wieder zurück an die Küste bei Antalya. Einheimische erzählen uns, dass dorthin jedes Jahr an die 10 Millionen Touristen kommen. Und genau so sieht es dann auch aus, als wir die Küste entlang fahren. Unzählige Ferienanlagen, Hochhäuser und Hotelkomplexe säumen die Küste.
Die Küstenstraße ist hier vierspurig ausgebaut, wir kommen gut voran. Hinter Alanya ändert sich das dann. Da ist die Straße nur zweispurig. Sie folgt der Küstenlinie und das heißt für uns, es ist äußerst kurvenreich, außerdem ein ständiges Auf und Ab. Wir haben schon lange nicht mehr so viele Kurven gesehen wie auf dieser Strecke und nehmen uns vor, dass wir sie auf der Rückreise ganz sicher nicht mehr befahren werden. Es sind viele Lkw unterwegs, die tonnenschwere Ladung transportieren und deshalb bergauf wie bergab nur dahin kriechen. Sie zu überholen ist aufgrund der Kurven nicht immer einfach. Wenn wir allerdings hinter ihnen dran bleiben, kommen wir nur mit 30 km/h vorwärts. Die Fahrerei ist wirklich anstrengend. Nicht einmal die Landschaft entschädigt für die Anstrengung, denn soweit wir sehen können, gibt es hier Gewächshäuser. Sie ziehen sich weit die Berghänge hinauf und reichen fast bis ans Meer.
An mehreren Straßenabschnitten gibt es Bauarbeiten, es sind Bemühungen im Gang, die schmale Straße auszubauen. Doch aufgrund des felsigen Untergrunds und der sich ständig ändernden Höhenlage wird das Projekt sicher noch einige Jahre dauern.
Wir sind erleichtert, als wir kurz vor Mersin auf einen Abschnitt der Küstenautobahn treffen. Die Straße ist mautpflichtig, aber sehr billig. Für das Stück bis Adana zahlen wir gerade mal 2,25 TL (ca. 1,10 €).
In Adana treffen wir uns mit Bekannten, die wir bei unserem letzten Alaska-Aufenthalt kennen gelernt haben. Das Wiedersehen muss natürlich gefeiert werden und wir lassen es uns bei einem üppigen türkischen Mittagessen richtig gut gehen.
Am Spätnachmittag fahren wir noch nach Adana und besichtigen dort die Sabanci Merkez Moschee an. Eine große Moschee mit 6 Minaretttürmen. Mit dabei ist die Tochter der Familie, bei der wir parken. Das Mädchen spricht gut englisch und obwohl wir sie erst wenige Stunden kennen, ist die 13-Jährige Senna sehr aufgeschlossen.
Als wir uns die Moschee von innen ansehen, wird uns von einem Mann angeboten, dass wir von oben einen Blick herunter werfen dürfen. Im ersten Moment denken wir, dass wir auf den Balkon, der in einigen Metern Höhe angebracht ist, hinauf dürfen. Erst als wir dem Mann folgen, stellt sich heraus, dass wir auf ein Minarett hinauf dürfen. Zu dritt quetschen wir uns in einen winzigen, runden Aufzug. Ein Teilstück ist offen und wir sehen das rohe Mauerwerk des Turmes. Oben angekommen, sind wir auf 90 m Höhe und haben wir einen fantastischen Blick auf Adana, den Fluss sowie den Park hinter der Moschee. Wir sind völlig überwältigt, denn noch nie zuvor waren wir auf einem Minarett.
Auch Georgia und Senna fahren hoch und sind danach ebenfalls beeindruckt. Vor allem Senna betont, dass ihr wahrscheinlich zuhause niemand glaubt, dass sie auf dem Minarett war. Wir versprechen ihr deshalb, dass wir ihr Fotos – sozusagen als Beweis – auf eine CD brennen werden.
Nach diesem beeindruckenden Erlebnis bummeln wir durch den schön angelegten Park, trinken Tee, essen ein Eis und lassen den Tag ruhig ausklingen.
Am nächsten Tag sind wir wieder in Adana unterwegs, doch dieses Mal ist es nicht so ruhig. In den Straßen herrscht nicht nur ein unglaublicher Verkehr, sondern die Leute strömen nur so durch die Straßen. In dieser Woche ist das Opferfest, deshalb haben die Schüler Ferien und viele Leute Urlaub. Der Tag wird genutzt, um für das Opferfest einzukaufen.Das Opferfest – genannt Kurban Bayrami in der Türkei oder Aid al-Kabir in den arabischen Staaten – ist das wichtigste islamische Fest. Es geht zurück auf die Legende, dass Gott Ibrahim/Abraham befahl, einen seiner Söhne zu töten. Als er sah, dass Abraham dieses Opfer bringen wollte, stoppte er ihn und ließ ihn stattdessen ein Schaf schlachten.In Erinnerung daran werden heute beim Opferfest Ziegen, Schafe oder Rinder geschlachtet. Für die Familien ist das eine teure Angelegenheit und nicht jeder kann es sich leisten. Je nach Größe und Gewicht kann eine Ziege bis zu 700 oder 800 TL (= 350 – 400 €) kosten. Wer das Geld dazu hat, ein Tier an diesem Tag zu opfern, gilt als sehr angesehen. Wichtig ist es außerdem, dass man einen Teil des Fleisches abgibt an Leute, denen es nicht so gut geht.
Die Familie, bei der wir stehen, kündigt an, dass am Vormittag Freunde kommen würden und jeder von ihnen würde eine Ziege schlachten. Die Kinder sind schon aufgeregt und als es endlich soweit ist, geben sie uns Bescheid, damit wir zuschauen können. Klaus lässt sich das auch nicht entgehen.
Am Abend sind wir dann mit unseren Freunden zum Essen eingeladen. Ein Teil der Ziege wird zu Fleischspießen verarbeitet und gegrillt. Zum Essen kommen noch ein paar Kinder aus der Nachbarschaft und ein Teil des gegrillten wird an Nachbarn weggegeben. Als wir dann fertig sind, bringt Mohammed ein weiteres Fleischpaket weg, denn – so erklärt uns Senna immer wieder – “man muss teilen können”.
Als wir später bei ihnen fernsehen, werden in den Nachrichten Luftaufnahmen von Istanbul gezeigt. Wir sehen, dass an allen möglichen – und unmöglichen – Stellen Tiere geschlachtet wurden: auf Parkplätzen, am Straßenrand, in Parks. Und das Blut der Tiere kommt über Flüsse und Bäche bis ins Meer. Um diese Bilder zu verstehen, brauchen wir kein Türkisch zu verstehen.
Wir fahren tags darauf weiter, weil wir die Grenze nach Syrien überqueren wollen. Aufgrund der Feiertage ist die ansonsten mautpflichtige Autobahn kostenlos. Es herrscht auch nur wenig Verkehr und die Ausreise aus der Türkei dauert nur ein paar Minuten. Ausreisestempel in den Pass, den Eintrag für das Fahrzeug in Klaus’ Pass entwerten lassen und fertig.
Nur wenige Meter weiter ist dann die Grenze nach Syrien.